00:00:07: Herzlich willkommen in der Wiener Arena.
00:00:10: Es ist - Überraschung - Freitag und Freitag ist der Tag,
00:00:15: an dem die oekostrom AG zum Klima-, Umwelt- und Nachhaltigkeitstalk
00:00:20: zu Freitag in der Arena lädt.
00:00:23: Mein Name ist Tom Rottenberg.
00:00:25: Aber ich bin hier nur einer von zwei Menschen, die die Interviews führen.
00:00:30: Der andere ist der Chef der oekostrom AG: Ulrich Streibl.
00:00:34: Herzlich willkommen.
00:00:35: Heute ist wieder Freitag - Freitag in der Arena.
00:00:38: Und wir sprechen wieder zu Klima, zu Umwelt, zu Nachhaltigkeit und zur Zukunft.
00:00:42: Und heute ist die Rechtsanwältin Michaela Krömer hier.
00:00:46: Sie hat gerade Klage eingereicht
00:00:48: beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,
00:00:50: damit Klimaschutz einklagbar wird.
00:00:53: Herzlich willkommen, Michaela, ich freue mich auf das Gespräch.
00:00:57: Hallo, ich bin Michaela Krömer. Ich bin Rechtsanwältin
00:01:01: und ich setze mich mit Recht für eine bessere Zukunft
00:01:05: für uns alle und für unseren Planeten ein.
00:01:08: Michaela, auch von meiner Seite ein ganz herzliches Willkommen
00:01:11: hier auf der Bühne der Wiener Arena.
00:01:15: Du vertrittst einen Menschen namens Max M.
00:01:19: Der ist schwer krank. Hat eine Krankheit, eine Form von Multipler Sklerose,
00:01:24: die bei höheren Temperaturen schlagend wird.
00:01:27: Und den vertrittst du vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
00:01:30: mit einer sogenannten Kima-Klage.
00:01:33: Kannst du mir bitte erklären, was das ist und was das soll?
00:01:38: Also das erste ist, es gibt nicht die Klima-Klage.
00:01:43: Dieses Verfahren, von dem du gerade geredet hast,
00:01:45: ist eine von vielen Klima-Klagen.
00:01:48: Das Ziel bei einer Klima-Klage ist:
00:01:50: Recht als ein Werkzeug zu verwenden, um Systemänderung zu bewirken.
00:01:56: Die Systemänderung, die wir brauchen,
00:01:58: um die Klimakrise einigermaßen in den Griff zu bekommen.
00:02:02: Das bedeutet jetzt konkret:
00:02:04: Max M. klagt beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,
00:02:07: vertreten durch dich, dass… was genau passieren soll?
00:02:12: Also es gibt eben viele Zugänge, man Recht einsetzen kann.
00:02:16: Und sehr oft geht es um ganz grundsätzliche Fragen,
00:02:19: generell um Klimaschutz und um die Möglichkeit, Klimaschutz einzufordern.
00:02:24: Und um diese zwei Fragen geht es auch in dem Verfahren, das ich führe
00:02:29: und wo ich eben Max M. vertrete.
00:02:32: Das erste ist, dass er eine Person ist,
00:02:34: die schon heute ganz konkret von den Folgen der Klimakrise betroffen ist.
00:02:42: Es ist leider so, dass Krisen meistens Menschen am härtesten treffen,
00:02:48: die schon vulnerabel sind. Das ist bei der Klimakrise nicht anders.
00:02:52: Das heißt, es trifft Menschen besonders hart,
00:02:55: die eine Vorerkrankung haben.
00:02:57: Es betrifft sicher auch einkommensschwache Menschen besonders hart.
00:03:00: Oder Menschen, die in unsicheren Regionen leben.
00:03:05: Das ist das eine.
00:03:06: Das heißt, oft werden diese Verfahren eben von Menschen geführt,
00:03:10: die ganz besonders betroffen sind.
00:03:11: Und die dann im Prinzip als Opfer zu Helden werden,
00:03:16: weil wir auf sie angewiesen sind, um weitere Folgen zu vermeiden.
00:03:22: Und diese Menschen klagen dann mehr Klimaschutz ein,
00:03:25: weil wir ja sehen, dass leider im Moment nur sehr viel geredet wird,
00:03:29: aber effiziente Maßnahmen fehlen.
00:03:32: Und oftmals stehen diese Menschen vor dem Problem,
00:03:35: dass sie ihre Rechte gar nicht einfordern können,
00:03:37: dass das System hier Möglichkeit zur Mitsprache und Mitgestaltung schafft.
00:03:42: Um das geht es in diesem Verfahren.
00:03:44: Max M. - erklär ich jetzt mal ganz kurz - hat eine Form von Multipler Sklerose,
00:03:48: wo bei 25 Grad Umgebungstemperatur kann er dann nicht mehr
00:03:52: aus eigener Kraft gehen, braucht den Rollstuhl.
00:03:54: Ich glaub, ab 30 Grad ist er auf einen elektrischen Rollstuhl
00:03:57: oder auf jemanden, der ihn schiebt angewiesen.
00:03:59: Er leidet also ganz massiv unter der prognostizierten
00:04:03: oder auch schon sich ankündigenden Erwärmung auch in unseren Hemisphären.
00:04:08: Ich frage jetzt mal trotzdem zynisch.
00:04:11: Sommer gab's immer schon. Klagst du den Sommer?
00:04:16: Das ist eine super Frage.
00:04:18: Nein, ich klage nicht den Sommer.
00:04:20: Der Max hat es ganz gut auf den Punkt gebracht.
00:04:22: Er hat gesagt: Der Frühling und der Herbst werden zu meinen Sommern
00:04:26: und die werden immer kürzer.
00:04:28: Er klagt nicht ein, dass er eine Beeinträchtigung hat.
00:04:32: Die hätte er, weil es eben immer schon wärmere Tage gab.
00:04:36: Das was aber wissenschaftlich nachweisbar ist,
00:04:38: dass die wärmeren Tage zunehmen, dass die Hitzeperioden zunehmen
00:04:43: und dass das neue Normal sich massiv verschoben hat.
00:04:46: Und dadurch die Auswirkung.
00:04:49: Und diese Auswirkung ist eben menschenverursacht.
00:04:52: Und unter anderem auch die unzureichende Klimapolitik Österreichs zurückzuführen.
00:04:58: Ulrich, hast du Verständnis für diese Klage?
00:05:00: Es ist eine rhetorische Frage, das gebe ich ganz offen zu.
00:05:04: Ich habe jedenfalls sehr viel Verständnis
00:05:06: und sehr viel Sympathie für das Anliegen.
00:05:09: Denn es ist ja tatsächlich so, dass heute Klimaschutz,
00:05:11: also der Schutz von uns Menschen in diesem Land, in Europa, in der Welt,
00:05:17: ja nicht rechtsverbindlich einklagbar ist.
00:05:20: Das heißt also, Regierungen haben gar keinen rechtsverbindlichen Auftrag,
00:05:25: mich oder alle vor Veränderungen
00:05:28: zum Nachteil der Gesellschaft aus Klima- und Umweltschutzthematiken heraus umzusetzen.
00:05:36: Und deshalb ist es wichtig,
00:05:37: dass wir auch Regierungen letztlich über solche Instrumente motivieren,
00:05:43: vielleicht auch zwingen, das Richtige für uns zu tun.
00:05:45: Weil es ist so, wie du sagst, Michaela.
00:05:46: Es ist einfach viel zu wenig passiert.
00:05:48: Wir wissen seit 30 Jahren, dass die Klimaveränderung so kommen wird.
00:05:52: Wissenschaftler mahnen lange davor.
00:05:54: Und die Politik hat viele, viele, viele Jahre und Jahrzehnte nicht genug getan.
00:05:58: Das ändert sich vielleicht ein bisschen.
00:06:00: Aber ich finde, es ist immer noch zu wenig.
00:06:01: Deswegen finde ich das ganz toll, was du machst.
00:06:03: Und deswegen unterstützen wir das auch gerne,
00:06:06: dass diese Klage tatsächlich dann auch zu einem Erfolg wird.
00:06:10: Dass die Klage ein Erfolg wird, heißt:
00:06:12: Die Klage muss eingebracht werden.
00:06:14: Und wir sitzen ja jetzt nicht hier, weil diese Klage gerade erfunden worden ist.
00:06:18: Es war ja schon Anfang des Jahres oder im Frühjahr des Jahres in den Medien.
00:06:22: Sondern es ist über eine Crowdfunding-Kampagne genug Geld eingebracht worden,
00:06:26: um die Klage im EGMR, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu finanzieren.
00:06:30: Und sie wurde auch eingebracht und auch dort angenommen.
00:06:33: Sehe ich das richtig?
00:06:34: Der aktuelle Stand ist:
00:06:36: Die Klage ist nicht nur eine Ankündigung, sondern sie ist tatsächlich da.
00:06:39: Genau. Der Schriftsatz ist eingebracht worden,
00:06:42: ist per Post zugestellt worden und auch unterschrieben worden.
00:06:46: Das heißt, die Zustellung, rein juristisch gesehen, ist erfolgreich gewesen.
00:06:50: Du hast gesagt, sie ist angenommen worden.
00:06:54: Da sind meine juristischen Ohren größer geworden.
00:06:57: Das wird sich jetzt entscheiden.
00:06:59: Also es wird sich jetzt im ersten Schritt entscheiden,
00:07:01: ob der Gerichtshof sich für dieses Verfahren zuständig erklärt und meint,
00:07:07: dass er sich das genauer anschauen soll.
00:07:08: Das ist immer der erste Schritt bei jedem Verfahren.
00:07:10: Man prüft einmal: Ist da was dran?
00:07:13: Und fällt das überhaupt in meinen Aufgabenbereich?
00:07:16: Wenn das der Fall ist - das ist schon mal ein erster großer Erfolg.
00:07:19: das ist nur bei 10 Prozent der eingebrachten Beschwerden der Fall.
00:07:24: Dann geht's wirklich in medias res.
00:07:26: Und dann wird es ein ordentliches Verfahren geben
00:07:29: mit Stellungnahme, Gegenstellungnahme, möglicherweise einer mündlichen Verhandlung.
00:07:34: Und dann wird entschieden.
00:07:35: Und was heißt das: entschieden?
00:07:36: Wenn Österreich verurteilt wird, dann ist Österreich verurteilt? Und…hm…
00:07:42: Dann ist auch die Frage: Was will man eigentlich vom Gerichtshof?
00:07:45: Ich hätte rein theoretisch die Möglichkeit gehabt
00:07:48: bzw. mein Mandant hätte die Möglichkeit gehabt, einen Schadenersatz einzuklagen.
00:07:52: Also einfach zu sagen: Dadurch, dass ihr nichts macht,
00:07:54: entsteht mir ein Schaden und den quantifizier ich und das Geld möchte ich haben.
00:07:59: Es geht aber eben nicht darum, sondern es geht um die Systemänderung,
00:08:03: wo wir Held*innen wie den Max brauchen, die für uns alle kämpfen.
00:08:07: Und das heißt rechtlich eine Gesetzesänderung.
00:08:11: Wir wollen zwei gesetzliche Maßnahmen, wenn man so will.
00:08:18: Das eine ist mehr effizienten Klimaschutz in Abstimmung mit dem 1,5 Grad Ziel.
00:08:24: Also rechtlich faktisch verankert.
00:08:27: Und das zweite ist eine Möglichkeit, mich zu beschweren,
00:08:31: wenn diese Klimaziele nicht verankert werden oder nicht eingehalten werden.
00:08:36: Das heißt konkret, dass Ulrich und ich in Zukunft auch sagen könnten:
00:08:41: Da stimmt was nicht.
00:08:42: Österreich ist bereits einmal verurteilt worden
00:08:43: und deswegen können wir auch Klagen nachreichen?
00:08:45: Oder was würde dann passieren?
00:08:47: Da ist jetzt ein bisschen die Frage, wie entschieden wird.
00:08:51: Das heißt, wie konkret der Arbeitsauftrag aussieht.
00:08:55: Und dann eben die Frage, wie es umgesetzt wird.
00:09:00: Es kann sein, dass es heißt:
00:09:01: Okay, ich muss eine bestimmte Betroffenheit vorweisen können,
00:09:04: um mich beschweren zu können. Das ist durchaus möglich.
00:09:07: Das wäre dann die Frage, von dir und vom Ulrich:
00:09:09: Welche konkrete Betroffenheit habt ihr?
00:09:12: Oder man sagt: Nein. Eigentlich müssen diese Ziele für alle
00:09:15: in einer gewissen Weise einklagbar gemacht werden.
00:09:18: Oder von Umweltschutzorganisationen stellvertretend für andere.
00:09:22: Da ist jetzt ein bisschen die Frage,
00:09:24: wie im Detail dieser Arbeitsauftrag zu erfüllen ist.
00:09:28: Es wird aber auf jeden Fall ein besseres Klimaschutzgesetz brauchen.
00:09:32: Und das Klimaschutzgesetz, das wir jetzt haben,
00:09:34: ist eines der kürzesten und schlechtest geschriebenen Gesetze, die wir haben.
00:09:40: Und das muss ich auf jeden Fall ändern.
00:09:41: Wenn die Michaela das erreicht, dann glaube ich, ist schon viel gelungen.
00:09:46: Es ist sicher so: Gerichtsverfahren sind nicht das Non-Plus-Ultra.
00:09:52: Also so selbstkritisch bin ich schon.
00:09:55: Ein Gericht kann etwas anordnen.
00:09:57: Es kann natürlich sagen: Ja, na gut. Österreich hält sich nicht dran.
00:10:01: Da hat der EGMR natürlich schon Möglichkeiten, politischen Druck auszuüben.
00:10:07: Das ist klar.
00:10:09: Er kann aber nicht Österreich in dem Sinn dazu zwingen.
00:10:12: Das heißt, Österreich ist da dem politischen Druck des Europäischen Rates ausgesetzt.
00:10:17: Das darf man halt nicht unterschätzen, was das bedeutet.
00:10:19: Vor allem bei Verfahren, die sehr bekannt sind.
00:10:22: Und bei Verfahren, wo eben durch Gespräche wie diese hier,
00:10:25: die Zivilbevölkerung sehr wohl Bescheid weiß, worum es hier geht.
00:10:29: Und das Zweite ist, dass ein Verfahren hier
00:10:32: eine Auswirkung hat für alle 47 Mitgliedsstaaten.
00:10:35: Das heißt, wenn jetzt eine Entscheidung fällt.
00:10:39: Artikel 2, Artikel 8, EMAK, Artikel 13 bedeuten mehr Klimaschutz, bedeuten Beschwerderechte.
00:10:45: Dann kann auch jemand in Polen oder in Spanien vor ein nationales Gericht ziehen
00:10:51: und auf Basis dieses Urteils sagen:
00:10:53: Diese Europäische Menschenrechtskonvention ist in den und den Punkten so zu verstehen.
00:10:57: Und deswegen fordere ich auch das von dir, lieber Staat,
00:11:00: das ist halt dann ein anderer Staat, ein.
00:11:03: Das heißt, es hat auch noch einen viel größeren Domino-Effekt als nur Österreich.
00:11:07: Ich verstehe es jetzt immer noch - als Berufspessimist - als ein schönes Symbol.
00:11:14: Da ist Österreich verurteilt, dass es nicht genug für den Klimaschutz tut,
00:11:19: und wird weiterhin das, wie du es gesagt hast,
00:11:21: schlechtest formulierte Gesetz von vielen haben und wird nix tun.
00:11:25: Weil irgendwie: Okay - ist halt so. Sind wir halt verurteilt.
00:11:27: Und auch wenn Österreich was tut.
00:11:30: Wir sind ein kleiner Staat im großen Europa. Was ändert das?
00:11:35: Ich glaube, Zynismus ist immer die einfachste Antwort auf ein großes Problem.
00:11:40: Und das ist eine superzynische Gegendarstellung, wie man es auch sehen kann.
00:11:45: Ich glaube, das eine ist, abgesehen von der Folgewirkung,
00:11:49: die ein Gerichtsurteil hat für alle anderen Verfahren,
00:11:52: darf man hier diesen Druck nicht unterschätzen.
00:11:54: Und Österreich hat in den meisten Fällen wirklich diese Urteile umgesetzt.
00:11:58: Das ist schon ein ernst zu nehmender Gerichtshof und kein Freunderl-Verein,
00:12:03: der sich da nett die Zeit nimmt und ein bisschen überlegt.
00:12:07: Und dann könnte man sich ja auch immer die Frage stellen:
00:12:10: Was bringen Gerichtsurteile überhaupt?
00:12:12: Und ja, die haben eine Wirkung in einem Rechtssystem, in einem Rechtsstaat, in einer Demokratie.
00:12:19: Aber sie haben halt auch nur eine Wirkung von vielen.
00:12:21: Und es braucht natürlich auch die Zivilgesellschaft und die Politik dazu,
00:12:25: um das dann wirksam umzusetzen.
00:12:28: Ich glaube aber, dass Veränderung immer dann passiert,
00:12:31: wenn jeder seinen Verantwortungsbereich wahrnimmt.
00:12:33: Und das ist auch der zweite Punkt.
00:12:36: Na klar, man kann sich immer auf jemand anderen ausreden und sagen:
00:12:39: Du machst das auch nicht!
00:12:41: Wie beim Aufräumen – ist eine sehr beliebte Taktik von Kleinkindern in Großfamilien, zu sagen:
00:12:46: Ich räume mein Zimmer fix nicht auf, weil meine Schwester hat es auch nicht gemacht.
00:12:51: Das, was wer anderer tut, entzieht mir nicht meinen Verantwortungsbereich.
00:12:55: Und wenn alle Staaten sich einigermaßen an die 1,5 Grad Ziele halten würden,
00:13:01: würden wir ganz anders dastehen.
00:13:03: Und ich denke, ich kann nicht alle Staaten der Welt verklagen.
00:13:06: Ich kann aber als Rechtsanwältin sehr wohl
00:13:09: etwas gegen den Staat Österreich machen - und das tue ich.
00:13:12: Und ich glaube, das ist ein Schritt von vielen, den es braucht.
00:13:15: Ja, was glaubst… Also, wenn diese Klage Erfolg hat,
00:13:19: was glaubst, wie das die Politik schüttelt.
00:13:21: Na ja, eh.
00:13:22: Vor allem wie gesagt, es kann natürlich sein -
00:13:24: es gibt ja noch die zwei anderen Verfahren,
00:13:26: dass das gemeinsam entschieden wird
00:13:28: und dass man sich eben auf eine gemeinsame Linie festlegt.
00:13:31: Dass überhaupt gleich vielleicht zwei, drei Verfahren auf einmal gewinnen.
00:13:34: Dann ist das natürlich ein riesen Paukenschlag.
00:13:37: Das ist halt die große Hoffnung.
00:13:38: Weil man hier dann eben sagt:
00:13:39: Okay, es ist nicht nur ein Fall, sondern es sind hier mehrere Facetten.
00:13:42: Und so ist das zu verstehen.
00:13:44: Aber es sind ähnlich gelagerte Fälle…oder wie?
00:13:45: Also der portugiesische Fall, der betrifft Kinder und 33 Mitgliedsstaaten.
00:13:50: Die portugiesischen Kinder sagen, sie sind deswegen betroffen,
00:13:53: weil in Portugal die Waldbrände durch die Hitzeperioden zugenommen haben.
00:13:58: Das ist psychisch belastend.
00:13:59: Und bei zwei Kindern war die Asche im Garten.
00:14:02: Das ist quasi dieses Naheverhältnis, das es hier braucht.
00:14:07: Das ist die Frage, ob das ausreicht.
00:14:09: Und da ist halt so ein bisschen auch das Thema:
00:14:11: Wie geht der Gerichtshof damit um, dass es eben 33 Mitgliedsstaaten sind?
00:14:14: Ist aber ein interessanter Aspekt, weil es eben genau um die Frage geht:
00:14:17: Einer allein. Was soll's?
00:14:21: Und die Schweizerinnen sind sehr ähnlich wie wir.
00:14:25: Die haben nur den Unterschied, dass die Beschwerdeführerinen sehr alt sind.
00:14:28: Da könnte man zynisch aber behaupten:
00:14:30: Bei einem Alter von 89 kann ich nicht mehr von einer Übersterblichkeit ausgehen
00:14:34: bzw. bin ich einfach sehr fragil.
00:14:37: Und die Gerichtshöfe haben sich inhaltlich dazu geäußert.
00:14:41: Es ist ein bisschen ähnlich.
00:14:44: Ich glaube, dass es wichtig ist,
00:14:46: dass nicht nur 90-jährige ein Recht auf Klimaschutz haben.
00:14:50: Ich glaube darum, dass das ein unglaublich wichtiges Signal ist.
00:14:53: In einer Kombination von wichtigen Signalen.
00:14:55: Also wenn wir uns überlegen,
00:14:57: was allein die Tatsache ausgelöst hat, dass Fridays for Future entstanden ist.
00:15:02: Das hat unglaublich viel in der Klima und Umweltpolitik bewegt.
00:15:06: Weil auf einmal in der breiten Gesellschaft
00:15:08: und damit auch in der Politik angekommen ist:
00:15:11: Das ist ein großes Problem.
00:15:12: Das ist eine echte Krise mit einer drohenden Katastrophe.
00:15:16: Und da ist etwas passiert.
00:15:17: Was ebenfalls viel ausgelöst hat,
00:15:19: ist die Beteiligung der Grünen in der Bundesregierung.
00:15:22: Das hat unglaublich viel freigesetzt.
00:15:24: Und wenn jetzt noch aus der Zivilgesellschaft heraus Menschen kommen,
00:15:28: die auch von der rechtlichen Seite her sagen:
00:15:32: Wir Menschen brauchen auch rechtlich Schutz
00:15:35: vor dieser Krise und den Folgen, die sie hat.
00:15:39: Weil die sind ja unvorstellbar schlimm.
00:15:41: Wir diskutieren es hier ja immer wieder.
00:15:43: Also wenn wir so weiter tun, dann haben wir 3, 4, 5 Grad Erderwärmung
00:15:46: und dann können wir uns alle ausmalen, was da passiert.
00:15:49: Wälder sterben, die Artenvielfalt geht zurück, es wird heiß.
00:15:53: Das sind ja ganz viele Folgen.
00:15:54: Und ich glaube schon, dass so eine Initiative, wie sie die Michaela -
00:15:59: und ich glaube, ihr macht es ja gemeinsam mit Fridays for Future oder unterstützt von Fridays for Future -
00:16:03: wie sie die Michaela da setzt, dass das im Erfolgsfall unglaublich viel auswirken wird.
00:16:08: Stellen wir uns mal vor,
00:16:09: der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gibt dem Kläger Max M. Recht
00:16:13: und die Republik Österreich ist aufgefordert,
00:16:16: bessere Klimaschutzgesetze zu machen.
00:16:18: Das ist doch ein Wahnsinns-Impuls.
00:16:20: Apropos Impuls: Es ist natürlich schon so, dass nationale Gerichtsentscheidungen
00:16:26: und internationale Gerichtsentscheidungen gegenseitige Wirkungen zeigen.
00:16:30: Das heißt, das ist das, was man internationales Recht nennt und internationale Rechtsentwicklung.
00:16:35: Man beruft sich jetzt schon vorm Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
00:16:39: auf Urteile in Holland und in Frankreich.
00:16:42: Würde der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jetzt Entscheidungen treffen,
00:16:45: kann ich mich auch auf diese Interpretationen berufen bei anderen Gerichtshöfen.
00:16:49: Also das ist ja ein gesamtes System,
00:16:52: das national immer weiter rauf wächst und einfach untereinander auch Auswirkungen zeigt.
00:16:58: Und deswegen so wichtig ist, weil das Rechtssystem sind die Spielregeln,
00:17:02: wie wir unser Leben und unsere Gesellschaft gestalten.
00:17:05: Gerichte sind die Orte, wo diese Spielregeln nochmal definiert werden.
00:17:09: Auch wenn man nicht ganz klar ist, wer wo wie zu spielen hat.
00:17:13: Und das beeinflusst das System.
00:17:15: Aber es kann natürlich nicht alleine das gesamte System ändern.
00:17:18: Daher finde ich diese kritischen Fragen sehr gut, um das einordnen zu können.
00:17:23: Zu sagen: Ja, das hat eine große Bedeutung.
00:17:25: Wie eben auch die Fridays eine große Bedeutung haben.
00:17:28: Und wie wir eben sehr viele verschiedene Aspekte bedienen müssen,
00:17:32: um eben eine Systemänderung hinzubekommen.
00:17:35: Wir haben ja hier nicht ein ganz kleines konkretes Problem,
00:17:38: das mit einem Schlag zu lösen ist.
00:17:41: Das ist ja nicht so.
00:17:42: Ich bleib trotzdem der Advokat des Teufels.
00:17:46: Wir wissen alle, was in Österreich passiert,
00:17:48: wenn jemand wider den Stachel löckt, wenn jemand wider das System auftritt.
00:17:52: Da wird dann gefragt: Warum machen Sie das überhaupt?
00:17:55: Als gelernter Österreicher kommt doch die Frage:
00:17:58: Was hat sie denn davon, als Anwältin so eine Klage zu vertreten?
00:18:03: Reich wird sie damit nicht werden.
00:18:05: Will sie berühmt werden?
00:18:06: Also da wird sofort persönliches Kalkül unterstellt.
00:18:10: Aber darum auch die Frage an dich: Warum tust du das?
00:18:13: Das wird mir oft unterstellt.
00:18:15: Mir wird auch Profitgier dabei unterstellt, möchte ich dazu sagen.
00:18:19: Ah, das auch noch.
00:18:20: …was ich besonders lustig finde.
00:18:24: Was steht dahinter?
00:18:27: Im Prinzip ist es, glaube ich, eine Lebenseinstellung, eine Charaktersache,
00:18:34: dass es mich treibt, mein Leben und meinen Beruf großen Fragen zu widmen
00:18:40: und Verantwortung zu übernehmen.
00:18:44: Meinen Beitrag zu leisten, das Leben ein bisschen besser zu gestalten.
00:18:48: Ich bin in der Hinsicht wahrscheinlich eine realistische Idealistin.
00:18:53: Ich weiß schon sehr wohl, wie die Realität aussieht.
00:18:56: Ich bin ja Rechtsanwältin. Ich kann mich schon in dem System behaupten.
00:19:01: Ich kenne das System auch.
00:19:02: Und bin dennoch der Meinung, dass man es eben mitgestalten kann
00:19:06: und dass nichts in Stein geschrieben ist.
00:19:08: Und das treibt mich.
00:19:09: Es ist wirklich so eine innere Vision von einer besseren Welt wahrscheinlich.
00:19:16: Kommt die eigentlich aus deiner Familie?
00:19:19: Wir haben gelesen, dein Urgroßvater hat schon in der Zwischenkriegszeit
00:19:25: Menschen vor der Todesstrafe bewahrt, indem er sie vertreten hat.
00:19:30: Dein Vater vertritt Menschen, die es sich nicht leisten können
00:19:34: in Strafangelegenheiten, in Asylverfahren.
00:19:36: Deine Mutter behandelt als Zahnärztin unentgeltlich Menschen,
00:19:40: die sich das nicht leisten können.
00:19:42: Ist dir das ein bisschen -
00:19:43: diese soziale Verantwortung - ein bisschen mitgegeben aus der Familie?
00:19:47: Ich glaube, wir sind alle ein Produkt aus Charakter und unserem Umfeld.
00:19:52: Und auch ganz besonders von unserem familiären Umfeld.
00:19:56: Ich habe das Glück, aus einer Familie zu kommen,
00:19:59: die eben soziale Verantwortung als Herzensangelegenheit wahrgenommen hat.
00:20:05: Das heißt, ich habe sehr viele Personen um mich, die eben auch mitgestalten.
00:20:12: Gesellschaft mitgestalten, Verantwortung übernehmen.
00:20:15: Das, was mich am allermeisten geprägt hat, war:
00:20:18: Ich bin immer sehr früh mit Menschen aus anderen Kulturen in Verbindung gekommen.
00:20:22: Ich hab Pflege-Geschwister aus Nigeria.
00:20:25: Ich kenne ganz andere Lebensrealitäten.
00:20:27: Und aus dem heraus... auch das haben mir meine Eltern ermöglicht - war immer klar:
00:20:33: Wir alle wachsen mit unterschiedlichen Chancen und unterschiedlichen Herausforderungen heran.
00:20:39: Das Leben ist nicht fair.
00:20:41: Und aus dem heraus entstehen halt unterschiedliche Aufgaben und unterschiedliche Möglichkeiten.
00:20:46: Und das war irgendwie so eine unausgesprochene Logik,
00:20:49: dass wir halt in vielerlei Hinsicht privilegiert sind und eben die Möglichkeit haben,
00:20:54: Lebensrealitäten von anderen Menschen positiv mitzugestalten.
00:21:00: Weil diese Menschen eben an ihre Kapazitäten geraten sind.
00:21:04: Allein deswegen, was ihnen das Leben aufbürdet.
00:21:07: Es ist viel weniger eine Kopfsache als eine Herzenssache.
00:21:13: Und das war es eigentlich immer.
00:21:14: Es ist auch nicht groß über diese Dinge geredet worden.
00:21:17: Es war auch nicht so, dass man sagt: Schau, wie toll ich bin.
00:21:20: Sondern es war so eine herrliche Selbstverständlichkeit.
00:21:23: Und das hat mich sicher sehr stark geprägt.
00:21:26: Da gibt's aber in deiner Biografie noch ein paar andere, sehr prägende Momente.
00:21:30: Behaupte ich jetzt einmal.
00:21:31: Obwohl ich da nur ein paar Stichworte aufgeschrieben.
00:21:33: Du hast dein Masterstudium z.B. an der Harvard Law School absolviert
00:21:36: und hast dort bei Cass Sunstein - ich hoffe, ich habe den Namen richtig ausgesprochen –
00:21:41: der ein langjähriger Berater von Barack Obama war...
00:21:45: Das hast du studiert.
00:21:47: Bei diesem Studium waren auch Menschen aus der ganzen Welt mit dir in den Hörsälen.
00:21:51: Oder du hast während des Studiums
00:21:53: ein Praktikum beim deutschen Strafverteidiger Wolfgang Kaleck absolviert.
00:21:56: Und das ist der Mann, der den US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld
00:21:59: vor einem deutschen Strafgericht angezeigt hat,
00:22:02: wegen Kriegsverbrechen von Amerikanern im Irak.
00:22:07: Inwiefern prägt einen so ein Umfeld?
00:22:10: Und inwiefern prägt dich so ein... ja, das Umfeld
00:22:14: und die Erlebnisse in der Zeit des Studiums?
00:22:17: Also die Begegnung mit Wolfgang Kaleck, die war vor dem Studium in Harvard.
00:22:22: Das war sehr inspirierend.
00:22:25: Deswegen, weil ich vorher zwar schon bei vielen NGOs weltweit gearbeitet habe,
00:22:31: in Kinderheimen in der Ukraine und in Russland,
00:22:33: aber noch nie bei einem Anwalt,
00:22:35: der das Werkzeug Recht verwendet hat, um soziale Ungerechtigkeiten aufzugreifen.
00:22:41: Und das war für mich wirklich sehr inspirierend.
00:22:46: Er ist ein sehr großes Vorbild.
00:22:48: Und das Erlebnis mit ihm, also das Praktikum und dann auch die jahrelange Zusammenarbeit -
00:22:54: und auch in Harvard, waren für mich dann auch sehr bestätigend.
00:23:00: Bestätigend, dass es ok ist, als Rechtsanwältin kreativ zu sein,
00:23:05: visionärisch zu denken, idealistisch sein zu wollen
00:23:10: und einen anderen Zugang zum Recht zu haben, wie man es vielleicht oft kennt.
00:23:14: Also für mich war das wirklich auch ein richtiger Push, das Gefühl zu haben:
00:23:19: Okay, es ist okay, dass ich das machen will, was ich machen will.
00:23:22: Und es ist okay, dass ich so bin, wie ich bin.
00:23:25: Und diese Bestätigung habe ich in Österreich nicht so bekommen.
00:23:30: Und ich glaube, dann hätte ich auch nicht den Mut entwickelt, diese Dinge zu machen.
00:23:33: Also es ist diese Rückendeckung von internationalen Kolleginnen und Kollegen,
00:23:38: auch jetzt, die mir irgendwie hilft, diese Dinge zu machen.
00:23:42: Denn in Österreich ist es schon oft, nicht nur, aber schon oft auch sehr zynisch das Umfeld.
00:23:50: Und so wie du gesagt hast, die erste Frage: Warum?
00:23:53: Warum willst du irgendetwas verändern? Und was ist falsch mit dir?
00:23:56: Das kommt einem irgendwie sehr schnell entgegen.
00:23:58: Und in anderen Ländern ist es einfach so: Hey super, du machst das!
00:24:01: Und: Großartig! Und: Richtige Richtung.
00:24:05: Und das war bei beiden Fällen einfach schön,
00:24:08: auch Menschen zu treffen, die sehr ähnlich ticken.
00:24:11: Und ich glaube, das braucht jeder.
00:24:13: Ein Umfeld, wo man das Gefühl hat: Okay. Da gehör ich hin und das passt auch so.
00:24:17: Und deshalb kann man dann solche Dinge angehen.
00:24:20: Ulrich, du hast vorher nur Sympathie für den Klagepunkt
00:24:25: vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bekundet.
00:24:28: Und hast so höflich ein bisschen unterschlagen,
00:24:31: dass die oekostrom AG ja auch mitgeholfen hat,
00:24:34: dass diese Klage realisierbar ist, oder?
00:24:36: Ich sage immer: Die oekostrom AG ist, neben der Tatsache, dass sie ein Unternehmen ist,
00:24:41: ist sie eben auch eine Plattform
00:24:43: für gesellschaftliche Beteiligung und für gesellschaftliches Engagement.
00:24:47: Das war sie immer, weil als solche ist sie gegründet worden.
00:24:49: Die ist ja auch gegründet von bewegten Menschen.
00:24:51: Das waren damals Menschen, die bewegt waren,
00:24:54: die Energieversorgung zu ändern und was umzustellen.
00:24:57: Die eben ganz pionierhaft da hineingegangen sind.
00:25:00: Und wir haben jetzt Situationen, wo wir wieder große, große Dinge ändern müssen.
00:25:04: Weil wir können ja so nicht weitermachen.
00:25:06: Also die Systeme, die wir heute betreiben, die fossile Wirtschaft de facto,
00:25:10: die kann so nicht weiter bestehen.
00:25:12: Weil wir würden uns ja selbst die Lebensgrundlagen entziehen.
00:25:15: Und deswegen sehe ich es für unser Unternehmen und für mich als eine Verpflichtung,
00:25:21: unternehmerische Verpflichtung, gesellschaftliche Verpflichtung,
00:25:24: dass wir sowas auch unterstützen. Und das tun wir gerne.
00:25:29: Und wir sind da ja auch in einem Verbund mit Leuten,
00:25:32: mit denen wir ohnehin gerne arbeiten.
00:25:34: Wir hatten ja auch die Fridays for Future hier beispielsweise,
00:25:39: wir hatten verschiedene NGOs hier zum Gespräch.
00:25:41: Und da gibt's, so ich glaube, so einen gemeinsamen Mindset.
00:25:45: Und jetzt finde ich es so spannend, was die Michela da macht.
00:25:49: Das finde ich schon ein ganz großes Rad, das die Michaela da dreht.
00:25:53: Und deswegen bin ich da ja super happy,
00:25:55: wenn wir da ein bisschen im Hintergrund unterstützen können.
00:25:58: Die Unterstützung der oekostrom AG war im Rahmen der Crowdfunding-Kampagne,
00:26:02: die notwendig war, um diesen lawsuit überhaupt möglich zu machen.
00:26:06: Aber ich kann bestätigen, dass...
00:26:09: Wir haben ein bisschen mitgezahlt.
00:26:13: Aber wenn man der Michaela Gier unterstellt...
00:26:16: also damit könnte sie Gier nicht befriedigen.
00:26:19: Aber genau auf diesen Punkt wollte ich jetzt kommen.
00:26:21: Einerseits unterstellt man dir Gier.
00:26:25: Andererseits wird erwartet, dass man alles, was gut für die Welt ist,
00:26:29: als Anwältin, als NGO, als wer auch immer pro bono, also ohne Entlohnung macht.
00:26:37: Ist das auch etwas Österreichisches, mit dem du immer wieder konfrontiert wirst?
00:26:41: Ob es etwas Österreichisches oder ausschließlich Österreichisches ist, das weiß ich nicht.
00:26:47: Glaub ich fast nicht.
00:26:49: Und ich glaube ja, das ist ein großes Problem.
00:26:51: Also was ist Arbeit wert? Und welche Arbeit ist was wert?
00:26:54: Und diese Thematik haben wir quer durch die Gesellschaft.
00:26:58: Also was ist der Wert von Pflegeberufen?
00:27:01: Was ist der Wert von Kinderpädagoginnen?
00:27:04: Was ist der Wert der Arbeit?
00:27:06: Und im Moment ist es halt so, dass die, die am meisten bezahlt bekommen, die sind,
00:27:11: wo es halt dann doch eigentlich in die eigene Tasche geht
00:27:13: und auf Kosten und Ausbeutung von anderen Menschen oder von der Umwelt.
00:27:18: Und das halte ich für ein großes Problem.
00:27:20: Und das ist halt spannend, das geht halt einher.
00:27:22: Also solche Verfahren zu machen oder etwas anderes zu machen,
00:27:26: geht ja dann immer einher mit der Frage:
00:27:28: Welche Arbeit ist wieviel Wert?
00:27:29: Und diese Frage kommt immer im Zusammenhang mit der mit der Klima-Klage.
00:27:36: Am Anfang war ich ehrlich auch ein bissl vor den Kopf gestoßen.
00:27:40: Vielleicht ein bisschen verärgert.
00:27:42: Und mittlerweile denke ich mir: Super. Ist eine Möglichkeit auch das noch zu thematisieren.
00:27:46: Was ist die Arbeit wert? Soll die Arbeit besteuert werden?
00:27:49: Sollte nicht etwas anderes mehr besteuert werden?
00:27:51: Wie wollen wir das überhaupt machen in Zukunft? Grundeinkommen?
00:27:54: Alle diese Fragen.
00:27:56: Und es hängt ja irgendwie immer alles mit allem zusammen.
00:27:59: Und ich finde, das sieht man da an dem Beispiel ganz schön.
00:28:02: Du bist in Sachen Klima und Recht, sag ich jetzt mal, Wiederholungstäterin.
00:28:07: Du hast 2019 eine Klage von Greenpeace, glaub ich, begleitet,
00:28:12: wo es um klimaschädliche Steuerausnahmen gegangen ist.
00:28:18: Das hat ja nicht ganz so funktioniert, oder?
00:28:23: Also das war Teil des großen Plans.
00:28:27: Das Verfahren, das ich jetzt führe, hätte ich nicht so gut führen können,
00:28:31: wenn ich nicht vorher das Verfahren mit Greenpeace geführt hätte.
00:28:34: Was waren das für ein Verfahren?
00:28:36: Das war, wie du gesagt hast, da ging es um klimaschädliche Gesetze.
00:28:40: Im Prinzip ging es um die Privilegierung vom Flugverkehr gegenüber dem Bahnverkehr.
00:28:45: Warum macht man sowas?
00:28:47: Da kommen wir auf die Frage zurück, die im Max seinem Verfahren zu klären ist:
00:28:51: die Möglichkeit, sich überhaupt beschweren zu können.
00:28:54: Und ich kann eben in Österreich gegen ineffiziente Klimapolitik nicht vorgehen.
00:28:59: Ein zweites Problem ist: Ich habe auch keinen Auffangtatbestand.
00:29:03: Also wenn ein Gesetzgeber nichts macht, weil eben keine oder schlechte Gesetze geschrieben werden,
00:29:09: kann ich das in Österreich nicht aufgreifen.
00:29:11: Das geht in anderen Ländern schon. Deswegen betone ich das.
00:29:14: Und dann war die Überlegung: Ok, was mach ich?
00:29:18: Denn es ist immer gut, wenn man zu einem Europäischen Gerichtshof will,
00:29:21: dass man vorher national alles probiert hat, um denen zu zeigen:
00:29:25: Wir wissen schon, grundsätzlich sollte der Staat sich selbst um das Problem kümmern
00:29:28: und wir kommen ja nur zu euch, weil es gar nicht anders geht.
00:29:32: Und da hab ich mir gedacht: Gut. Ich kann das Nicht-Handeln nicht aufgreifen,
00:29:36: dann kann ich vielleicht das schlechte Handeln aufgreifen
00:29:39: und in einem ersten Schritt sagen:
00:29:40: Okay, hier wird aktiv klimaschädliche Politik betrieben
00:29:45: und auch das verletzt Grund- und Menschenrechte und auch den Gleichheitssatz.
00:29:50: Und das Verfahren wurde mit Greenpeace geführt.
00:29:53: Der Max M. hat sich auch diesem Verfahren angeschlossen.
00:29:56: Und da sind wir, wie wir es so schön sagen, ausgerutscht.
00:30:01: Der Gerichtshof...Verfassungsgerichtshof in dem Fall hat gemeint, er ist nicht zuständig,
00:30:05: weil formelle Kriterien nicht eingehalten worden sind.
00:30:10: Diese formellen Kriterien sind sehr kompliziert und ich weiß nicht,
00:30:12: ob Sie im Detail hier jeden interessieren. Glaub ich nicht.
00:30:16: Kurz gesagt, es ist ein sehr enges Korsett, das man erfüllen muss.
00:30:21: Wir hätten das meiner Meinung nach vor allem bei einer Bestimmung erfüllen können.
00:30:26: Weil der Gerichtshof auch immer wieder großzügiger manches auslegt,
00:30:31: nämlich in dem Fall die rechtliche Betroffenheit.
00:30:33: Und das wollte er nicht.
00:30:35: Und das, was ich aber betonenswert find, ist,
00:30:38: dass natürlich auch in diesem Verfahren das grundsätzliche Thema,
00:30:41: also der Elefant im Raum thematisiert wurde,
00:30:44: nämlich das Rechtschutz-Defizit.
00:30:46: Und der Verfassungsgerichtshof hätte sehr wohl auch sagen können:
00:30:49: Ich sehe das Problem. Ich kann es nur nicht lösen, denn ich habe keine Kompetenz dazu.
00:30:54: Hätte er das gemacht, hätte das vor allem auch dem Klima-Volksbegehren
00:30:58: einen unglaublich starken Rückenwind gegeben,
00:31:00: weil auch hier wird genau diese Frage thematisiert.
00:31:04: Und ich finde es erschütternd ehrlich gesagt, dass ein hoher Gerichtshof, der Verfassungsgerichtshof,
00:31:12: der eben auch für unsere Gesellschaft und gesellschaftspolitische Fragen zuständig ist,
00:31:19: hier nicht einmal das Problem thematisiert.
00:31:22: Das habe ich sehr schwach gefunden.
00:31:23: Also weniger die Tatsache, dass sie sagen: In unserem engen System wollen wir uns nicht bewegen.
00:31:29: Wäre gegangen. Aber gut, muss man auch nicht.
00:31:32: Aber wenigstens den Mut zu haben,
00:31:34: hier ein Problem als solches in der Funktion eines Gerichtshofs anzuerkennen.
00:31:39: Ich finde, das wäre 2020 wirklich drinnen gewesen.
00:31:42: Ulrich, was mich wirklich sehr fasziniert an dieser Gesprächsreihe,
00:31:46: ist die Bandbreite an Gesprächspartnerinnen, Gesprächspartnern, die wir hier haben.
00:31:50: Wir haben von jungen Aktivistinnen, Aktivisten der Fridays for Future,
00:31:53: die mit Transparenten und voller Inbrunst und einem legitimen Zorn auf die Straße gehen,
00:31:59: bis zu einer Juristin, die vor dem Verfassungsgerichtshof
00:32:02: und vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte versucht,
00:32:05: Klimaschutz zu betreiben hier.
00:32:07: Und das ist irgendwie kein Widerspruch.
00:32:10: Du hast die jungen Kids, da hast du die Spitzen-Juristin,
00:32:13: da hast du die Wirtschafter die da sitzen -
00:32:15: und alle ziehen eigentlich, mittlerweile kommt es mir vor, am gleichen Strang.
00:32:21: Es gibt inzwischen tatsächlich sehr viele Menschen, die das gleiche Ziel im Auge haben.
00:32:28: Nämlich die Welt, die Erde, als eine lebenswerte Welt zu erhalten.
00:32:38: Die versuchen es mit verschiedenen Instrumenten, die sie zur Verfügung haben.
00:32:42: In der Wirtschaft gibt's Unternehmen,
00:32:44: die sich wirklich transformieren in klima- und umweltfreundliche Unternehmen.
00:32:49: Wir hatten eben die Fridays for Future, viele Aktivisten hier.
00:32:54: Wir hatten aber auch Katharina Rogenhofer hier vom Klima-Volksbegehren,
00:32:57: die einfach mal gezeigt hat, was auch gesellschaftliches Engagement auslösen kann.
00:33:02: Und jetzt haben wir die Michaela als Juristin hier.
00:33:06: Und ich glaube, dass das auch zeigt, wie breit diese Bewegung inzwischen geworden ist.
00:33:13: Dass doch viele Menschen jetzt erkennen und auch handeln,
00:33:18: damit wir die Klimakrise bewältigen.
00:33:22: Michaela, eine sehr persönliche Frage.
00:33:24: Es ist nicht zu übersehen: Du bist hochschwanger.
00:33:28: Ich wünsche dir alles Gute auf alle Fälle.
00:33:30: Aber ist die Überlegung, dass man solche Klagen einbringt, auch etwas, wo du sagst:
00:33:36: Das mache ich für mich oder das mache ich für mein Kind.
00:33:38: Das mache ich für alle Kinder, die auf dieser Welt sind, noch kommen werden.
00:33:41: Ist das irgendwie auch so ein Gedanke dabei?
00:33:44: Weil das ist ja doch irgendwie...
00:33:47: Wir haben diese Welt nur geborgt. Klingt so großartig.
00:33:49: Aber ist das ein Thema für dich?
00:33:51: Das war's vor der Schwangerschaft schon.
00:33:55: Und jetzt hat es natürlich eine ganz andere oder eine emotionalere Komponente.
00:34:00: Sagen wir so.
00:34:03: Ich freue mich, dass ich das machen kann. Ehrlich gesagt.
00:34:06: Und ich freue mich, dass ich eine Antwort meiner Tochter gegenüber habe,
00:34:10: wenn sie mich irgendwann mal fragt: Okay, was hast du eigentlich gemacht?
00:34:14: Das beruhigt mich.
00:34:16: Ich glaube, das macht es ein bisschen einfacher. Weil diese Fragen kommen.
00:34:20: Aber es geht um uns alle. Es geht um die Zukunft.
00:34:23: Und es geht auch um den Planeten, also um die Umwelt.
00:34:26: Auch wenn natürlich die Umwelt uns nicht braucht und das Klima schon gar nicht.
00:34:30: Sowas macht man nicht aus Egoismus heraus.
00:34:33: Es ist wirklich aber auch etwas, was ich nicht so gut verbalisieren kann.
00:34:37: Ich kann nur sagen: Natürlich freue ich mich jetzt als werdende Mutter besonders,
00:34:41: dass ich mir denke: Gut, ich habe was gemacht.
00:34:44: Und muss aber auch sagen, je näher das heranrückt, der Termin der Geburt,
00:34:50: umso mehr wird mir auch nochmal diese Verantwortung bewusst und umso mehr denke ich mir:
00:34:55: Oh je. Ich habe bisher nur zwei Verfahren geführt.
00:34:57: Also da braucht es echt noch ein paar mehr.
00:34:58: Also ich glaube es nimmt fast noch mehr Druck zu, dass ich mir denke,
00:35:02: ich möchte wirklich, dass die Erde noch ein lebbarer Ort ist, wenn sie 60 ist.
00:35:09: Also das ist wirklich etwas, was ich mir wünsche.
00:35:12: Das wünschen wir uns alle.
00:35:13: Aber glaubst du, dass du, wenn deine Tochter dich in 15, 20 Jahren fragen wird:
00:35:16: Was hast du getan? Darauf zeigen kannst, dass es auch erfolgreich war?
00:35:19: Also bist du Optimistin?
00:35:23: Puh.
00:35:25: Jein.
00:35:28: Ich glaube, dass dieses Verfahren sehr gute Chancen hat.
00:35:32: Beim Verfassungsgerichtshof wäre ich pessimistischer gewesen.
00:35:35: Ich bin generell keine Optimistin. Das muss ich schon dazu sagen.
00:35:40: Ich halte dieses Verfahren deswegen für so spannend,
00:35:44: weil die Fakten so offenkundig sind.
00:35:46: Es ist dieser massive Einschnitt der Klimakrise auf ein konkretes Leben.
00:35:52: Und es ist das offenkundige Nichthandeln der österreichischen Regierung.
00:35:57: Ich finde, diese Kombination mit einem Rechtssystem,
00:36:01: das nicht einmal eine Beschwerdemöglichkeit bietet,
00:36:04: finde ich persönlich sehr überzeugend.
00:36:05: Aber das kann man vielleicht auch Stockholm-Syndrom nennen.
00:36:08: Ich habe jetzt sehr viele Wochen und Monate mit dieser Beschwerde verbracht.
00:36:12: Bin natürlich davon überzeugt. Aber man weiß nie, wie ein Gerichtshof entscheidet.
00:36:17: Und das ist leider eine Lebensrealität von Rechtsanwältinnen, dass man sich denkt,
00:36:21: selbst beim besten Verfahren mit dem besten Mandanten und den besten Wissenschaftlerinnen
00:36:26: kann ich nicht wissen, wie es ausgeht.
00:36:28: Aber das ist dann eben auch nicht mehr mein Verantwortungsbereich.
00:36:32: Wir haben hier in diesem Talk immer am Schluss etwas,
00:36:35: wo es um den ganz individuellen persönlichen Gestaltungs-,
00:36:39: aber auch Verantwortungsbereich geht.
00:36:41: Wir nennen das den Tipp am Freitag.
00:36:43: Wo wir unsere Gäste, unsere Gästinnen immer bitten,
00:36:46: eine kleine, konkrete Handlung, die sie für Umwelt, Klimaschutz machen,
00:36:52: möglichst konkret zu erklären, vorzuschlagen, zu promoten,
00:36:57: um möglichst viele Menschen dazu zu motivieren, das auch zu machen.
00:37:01: Was wäre denn dein Tipp am Freitag?
00:37:05: Also ich persönlich mag schön angezogene Menschen sehr gerne
00:37:10: und versuche auch immer schön angezogen zu sein.
00:37:12: Weil ich einfach gelebte Schönheit sehr anziehend finde.
00:37:16: Und finde Willhaben eine unglaublich gute Möglichkeit, um sich einzukleiden.
00:37:21: Also ich bin hier komplett in Willhaben haben eingekleidet.
00:37:26: Und merke, dass quasi diesen zweiten Kleidungszyklus hier aktiv zu bedienen,
00:37:32: einfach eine sehr gute und klimafreundliche Möglichkeit ist und auch kostengünstig.
00:37:37: Aber wie gesagt sehr klimafreundlich.
00:37:39: Die Kleidungs-, die Fashion-Industrie ist sehr klimaschädlich.
00:37:43: Auch die Idee, dass Schönheit so vergänglich ist
00:37:46: und jeder Mode-Zyklus mitgemacht werden muss.
00:37:49: Ich glaube auch davon kann man sich lösen.
00:37:51: Und wenn man dann eben sich einer anderen Plattform bedient,
00:37:55: ist das glaube ich eine sehr gute und sehr praktische Möglichkeit,
00:37:58: hier nachhaltiger sich anzuziehen und sich trotzdem gut zu fühlen.
00:38:03: Dann sage ich für diesen Tipp vielen herzlichen Dank.
00:38:05: Aber vor allem Danke für dein Engagement.
00:38:08: Und komme wie immer mit der letzten Frage zum Ulrich.
00:38:11: Ich glaub, einen Mode-Tipp hatten wir hier noch nie als den Tipp am Freitag.
00:38:15: Das ist jetzt nicht meine Frage an dich Ulrich.
00:38:17: Sondern die Frage ist immer gleich, die letzte.
00:38:19: Und zwar: Was nimmst du denn aus diesem Gespräch heute mit?
00:38:22: Du merkst wahrscheinlich schon,
00:38:23: weil wir haben ja viele dieser Gesprächssituationen schon gehabt,
00:38:27: dass ich sehr mit Demut auf das schau.
00:38:30: Weil, wenn Menschen mit so einer Motivation so etwas aufnehmen
00:38:37: und einfach sagen: Ich will gestalten.
00:38:38: Ich nehme dieses Instrument Recht, um zu gestalten.
00:38:42: Also das, was ich heut gehört und gelernt habe,
00:38:44: da geht's ja nicht nur darum, jetzt einen konkreten Fall abzuarbeiten.
00:38:49: Sondern da geht es ja um einen Gestaltungsanspruch.
00:38:52: Und wenn Menschen so einen Gestaltungsanspruch haben
00:38:54: und den dann noch in so einer Dimension.
00:38:57: Also wir reden da ja über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
00:39:00: Das ist ja schon ein großer Gerichtshof dieser Welt.
00:39:05: So etwas anpacken und dann noch mit so viel Sympathie erzählen können,
00:39:10: dann lässt mich das mit einer gewissen Demut, aber auch mit Freude zurück,
00:39:14: dass Menschen wie du zu uns in so einen Talk kommen und das mit uns teilen.
00:39:19: Es ist einfach schön.
00:39:20: Danke schön. Danke.
00:39:23: Ich kann mich allem, was Ulrich sagt hier nur anschließen.
00:39:26: Entschuldige mich nochmal für meinen Zynismus in den Fragen, aber der ist beruflich verschuldet.
00:39:31: Und wünsch dir erstens für die Klage,
00:39:34: aber allererstens für deine Tochter alles, alles Gute.
00:39:39: Bedanke mich auch bei dir, Ulrich,
00:39:40: dass du mit mir hier gesessen, gestaunt, gelobt, gefragt hast.
00:39:46: Und bedanke mich natürlich auch bei euch,
00:39:48: dass ihr wieder einmal bei Freitag in der Arena mit dabei wart.
00:39:54: Schaut wieder rein, hört wieder rein.
00:39:56: Und wenn ihr Ideen habt, wen ihr hier hören oder sehen wollt.
00:40:00: Oder Fragen habt, die ihr gestellt hören wollt.
00:40:04: Dann schreibt uns einfach.
00:40:05: Auf den Plattformen der oekostrom AG findet ihr jede Menge Kontaktadressen.
00:40:09: Ich sag Danke fürs Dabeisein.
00:40:11: Bis zum nächsten Mal. Ciao und baba.