00:00:07: Herzlich willkommen in der Wiener Arena!
00:00:09: Es ist wieder einmal Freitag.
00:00:11: Und Freitag in der Arena ist für mich
00:00:14: und für meine Gäste ein Fix-Termin.
00:00:18: Freitag in Arena – das ist der Klima-,
00:00:20: Umwelt- und Zukunftstalk der oekostrom AG.
00:00:22: Und der Gastgeber ist eigentlich Ulrich Streibl.
00:00:26: Hallo Ulrich.
00:00:27: Hallo Tom.
00:00:29: Und Hallo liebe Zuseherinnen und Zuseher,
00:00:32: liebe Zuhörerinnen und Zuhörer.
00:00:34: Wir sprechen wieder über Klima,
00:00:36: Umwelt, über Zukunft.
00:00:37: Heute haben wir Hanna Simons zu Gast.
00:00:40: Sie ist stellvertretende Geschäftsführerin des WWF,
00:00:43: einer der bedeutendsten Umweltschutzorganisationen
00:00:46: und ist dort die Programmleiter für Natur und Umwelt.
00:00:50: Mein Name ist Hanna Simons.
00:00:52: Ich bin Programmleiterin
00:00:53: für Natur und Umweltschutz beim WWF Österreich.
00:00:55: Und mir ist wichtig,
00:00:56: dass wir die Klimakrise und die Naturschutzkrise
00:00:58: gemeinsam denken und gemeinsam lösen.
00:01:01: Hanna, auch von meiner Seite
00:01:03: Herzlich willkommen hier in der Arena.
00:01:06: Wir sitzen hier -
00:01:07: ein Hersteller von nachhaltigen, erneuerbaren Energien,
00:01:11: einer der Köpfe einer der wichtigsten
00:01:15: Umwelt- und Naturschutzorganisationen Österreichs.
00:01:17: Und eigentlich würde man jetzt glauben,
00:01:19: ihr seid euch in allen Bereichen total einig.
00:01:22: Weil es geht um den Erhalt von Klima,
00:01:23: von Natur, von Lebensräumen.
00:01:26: Ihr schützt Naturräume.
00:01:28: Ulrich, ihr macht saubere Energie.
00:01:31: Aber in Wirklichkeit gibt es da
00:01:33: doch relativ viele Konfliktpunkte,
00:01:34: kann ich mir gut vorstellen.
00:01:35: Weil dort, wo Zugvögel oder Vögel fliegen
00:01:38: und ein Windrad sich dreht,
00:01:40: kommt oft der Vorwurf:
00:01:42: Da fliegt der Vogel rein,
00:01:43: hinten kommt Geschnetzeltes raus.
00:01:44: Und dort wo Laufkraftwerke,
00:01:46: wo Flüsse aufgestaut werden
00:01:48: können die Fische auch nicht so leben,
00:01:50: wie sie es gewohnt sind.
00:01:51: Sind wir, die oekostrom AG,
00:01:53: die nachhaltigen, erneuerbaren Energieerzeuger,
00:01:55: aus deiner Sicht die Bösen?
00:01:57: Nein.
00:01:58: Wir haben ein gemeinsames, ganz wichtiges Anliegen -
00:02:01: und das ist der Klimaschutz.
00:02:02: Da sind wir uns auf jeden Fall einig,
00:02:04: dass der Klimaschutz das Ziel sein muss.
00:02:06: Und das ist auch eine
00:02:07: der wichtigsten Zielsetzungen des WWF.
00:02:09: Allerdings ist es unsere Aufgabe
00:02:11: als Umweltschutzorganisation,
00:02:12: als Naturschutzorganisation darauf zu achten,
00:02:15: dass wir nicht mit der Bewältigung der einen großen Krise
00:02:18: eine andere große Krise erzeugen,
00:02:20: nämlich die Naturschutzkrise.
00:02:21: Und in der sind wir eigentlich schon mittendrin.
00:02:24: Wir haben es weltweit, aber auch in Österreich
00:02:26: mit einem enormen Verlust an Biodiversität zu tun.
00:02:28: Biodiversität ist die Vielfalt an Arten,
00:02:31: auch die Vielfalt innerhalb von Arten,
00:02:34: die genetische Vielfalt
00:02:35: und auch die Vielfalt an Lebensräumen.
00:02:37: Und diese Biodiversität
00:02:38: sichert uns Menschen unsere Lebensgrundlagen.
00:02:42: Und das sind zwei Seiten einer Medaille sozusagen.
00:02:48: Eine Zwillingskrise, wenn man so will.
00:02:50: Und wir sehen es als unsere Rolle zu verhindern,
00:02:53: dass mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien,
00:02:55: den wir zweifelsohne brauchen,
00:02:56: um die Klimakrise zu bekämpfen,
00:02:58: gleichzeitig mehr Natur zerstört wird
00:03:00: und wir mit noch mehr Biodiversitätsverlust
00:03:03: zu kämpfen haben.
00:03:04: Weil dann sind wir in der Situation,
00:03:06: in der wir jetzt sind.
00:03:08: Wir haben durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe
00:03:12: in den letzten Jahrzehnten die Klimakrise ausgelöst
00:03:14: und müssen jetzt alles tun, um sie zu bekämpfen.
00:03:17: Und ich möchte nicht,
00:03:18: dass wir den gleichen Fehler machen
00:03:19: und durch die Bekämpfung der Klimakrise
00:03:21: die Biodiversität zerstören
00:03:22: und in wenigen Jahren dann alles tun müssen,
00:03:24: um die Biodiversität zu retten.
00:03:26: Hanna hat es jetzt sehr höflich formuliert.
00:03:29: Ich stelle die Frage an dich.
00:03:30: Normalerweise bist du ja der Gutewicht
00:03:32: und ab und zu haben wir da
00:03:33: einen Bösewicht/eine Bösewichtin sitzen.
00:03:36: Wo viel Licht, ist auch viel Schatten.
00:03:38: Wir wollen Naturräume erhalten,
00:03:40: Lebensräume erhalten und dann baust du –
00:03:43: um es zu personifizieren -
00:03:44: Wasserkraftwerke und Windkraftwerke hin
00:03:46: und die Natur wird doch verändert zumindest.
00:03:48: Hast du ein Problem damit?
00:03:50: Ich bin mit Hanna ganz schnell einig,
00:03:51: dass wir diese beiden Krisen haben.
00:03:53: Ich war eine ganze Zeit im Umweltbundesamt
00:03:55: und mir ist sehr klar,
00:03:56: dass wir diese Thematiken haben.
00:03:58: Was wir brauchen, ist für die erneuerbaren Energien
00:03:59: klar ausgewiesene Zonen und Flächen,
00:04:02: in denen wir sie bauen und betreiben dürfen.
00:04:04: Und wir brauchen Schutzflächen für die Arten,
00:04:07: die wir eben schützen müssen.
00:04:08: Da werden wir uns schnell einig sein.
00:04:10: Die Thematik, wo wir uns möglicherweise
00:04:12: nicht einig sein werden, ist,
00:04:14: dass häufig mir scheint,
00:04:16: dass Umweltschutz als Argument vorgeschoben wird,
00:04:21: nämlich um Infrastruktur nicht zu bauen.
00:04:23: Wir haben Räume,
00:04:24: in denen gibt es keine Umweltschutz-Problematiken.
00:04:27: Wir prüfen das ja,
00:04:28: wenn wir entweder Photovoltaikanlagen
00:04:30: oder Windkraftanlagen aufstellen.
00:04:32: Und doch werden Verfahren ins Unendliche gezögert
00:04:36: und interessanterweise oft von Menschen,
00:04:38: die am Freitag für Klimaschutz diskutieren
00:04:41: und dann am nächsten Donnerstag
00:04:43: auf eine Umweltschutz-Demo gehen und sagen:
00:04:45: Aber hier bitte keine neue Infrastruktur.
00:04:47: Und Infrastruktur sind Windräder,
00:04:49: Photovoltaikanlagen, Netzmasten,
00:04:51: die wir auch brauchen zur Ableitung.
00:04:53: Da wird aus meiner Sicht
00:04:54: mit dem Argument des Umweltschutzes
00:04:56: ein wenig großzügig gearbeitet,
00:04:58: um einfach zu verhindern.
00:05:00: Das ist das Thema.
00:05:01: Standpunktelastizität nennt man das, glaube ich.
00:05:03: Am Donnerstag bei Fridays for Future demonstrieren
00:05:07: und am Freitag dann sagen:
00:05:08: Aber das und das und das und das geht nicht.
00:05:10: Ich glaube was du ansprichst
00:05:12: sind die sogenannten Nimbys -
00:05:13: die Not in my backyard,
00:05:14: die im Großen, im Übergeordneten für Klimaschutz,
00:05:18: für Umweltschutz sind,
00:05:19: aber eben, wenn es ihren persönlichen Lebensbereich,
00:05:22: ihre persönliche Umgebung betrifft,
00:05:23: dann ein Problem damit haben.
00:05:25: Das ist auch ein legitimes Anliegen,
00:05:26: finde ich von allen Menschen,
00:05:28: von Bürgerinnen und Bürgern,
00:05:29: dass sie in einer lebenswerten,
00:05:31: in einer schönen Umgebung leben wollen.
00:05:33: Und genau deswegen braucht es auch
00:05:35: gute Umweltschutzverfahren, eine UVP.
00:05:38: Es gibt die strategische Umweltprüfung
00:05:40: am runden Tisch.
00:05:41: Es gibt eine Reihe von Verfahren,
00:05:42: die sicherstellen sollen,
00:05:44: dass schon in einer frühen Planungsphase
00:05:46: alle Betroffenen eingebunden sind,
00:05:48: dass die Umweltschutz-Interessen berücksichtigt werden,
00:05:51: dass die Interessen der Bürgerinnen
00:05:52: und Bürger berücksichtigt werden.
00:05:53: Und leider haben wir in der Vergangenheit
00:05:55: die Erfahrung gemacht, dass versucht wurde,
00:05:57: diese Projekte möglichst lange geheim zu halten
00:05:59: oder an den Betroffenen vorbeizuschleusen,
00:06:01: dass die Umweltverträglichkeitsprüfung
00:06:03: überfrachtet wird mit Entscheidungen,
00:06:04: die eigentlich auf politischer Ebene
00:06:06: getroffen hätten werden sollen.
00:06:08: Und dann kommt es zu solchen Konflikten
00:06:10: zwischen AnrainerInnen, Umweltschutzgruppen
00:06:12: und den Projektwerbern.
00:06:14: Ich glaube, da sind wir uns einig,
00:06:15: dass es in den Verfahren
00:06:17: deutliche Verbesserungen braucht,
00:06:19: um solche Konflikte auszuräumen.
00:06:21: Gleichzeitig sehen wir aber auch,
00:06:23: dass es nach wie vor sehr viele Betreiber gibt,
00:06:25: zum Beispiel von Wasserkraftwerken,
00:06:27: die diese Projekte
00:06:28: auch in Schutzgebieten planen.
00:06:30: Ich glaube, aktuell werden ein Drittel
00:06:31: aller neu geplanten Wasserkraftwerke
00:06:33: in Schutzgebieten geplant.
00:06:34: Und das ist aus meiner Sicht
00:06:35: absolut unverständlich.
00:06:36: Erstens aus der Sicht einer Umweltschutzorganisation.
00:06:40: Wie kann man das planen?
00:06:41: Und zweitens sind das oft genau die Projektbetreiber,
00:06:44: die in Schutzgebiete hinein planen,
00:06:46: die sich dann über die lange Verfahrensdauer aufregen,
00:06:48: die sich darüber aufregen,
00:06:49: dass es so kompliziert ist,
00:06:50: Bewilligungen zu bekommen,
00:06:51: dass sie so hohe Auflagen bekommen.
00:06:53: Da kann ich nur sagen:
00:06:54: Augen auf bei der Standortwahl.
00:06:56: Wenn man sich einen unproblematischen Standort aussucht
00:06:59: von vornherein,
00:07:00: dann geht es wahrscheinlich auch schneller
00:07:01: mit den Bewilligungen.
00:07:02: Das mit dem Aussuchen des Standorts
00:07:04: ist nicht so einfach.
00:07:05: Jetzt sprechen wir für die Windkraft
00:07:09: und die Photovoltaik.
00:07:10: Da ist es tatsächlich so,
00:07:12: dass eigentlich keine Standorte freigegeben werden,
00:07:15: momentan von den Gemeinden
00:07:16: und von den Bundesländern.
00:07:17: Da ist einfach alles zu.
00:07:19: Und wir sind dann schon in einer Situation,
00:07:22: dass wir eigentlich gar nichts mehr bauen können.
00:07:24: Jetzt müssen wir uns vorstellen:
00:07:25: Von der ersten Überlegung
00:07:28: bis zum drehenden Windrad
00:07:30: vergehen in Österreich ungefähr acht Jahre.
00:07:33: Im Moment ist alles dicht.
00:07:35: Die Bundesländer weisen so gut wie gar keine Flächen aus,
00:07:37: die Gemeinden ebenfalls,
00:07:40: die ja da auch eine Rolle spielen.
00:07:42: Jetzt kann man sich vorstellen,
00:07:44: wenn wir heute anfangen würden,
00:07:46: was wir nicht können,
00:07:47: weil es keine Flächen gibt,
00:07:48: dann haben wir das erste Windrad 2029.
00:07:51: Wir wissen aber, dass wir in 2030
00:07:53: den gesamten Strom erneuerbar produzieren möchten.
00:07:56: Das geht sich doch nicht aus.
00:07:58: Oder siehst du das anders?
00:07:59: Es wird sich ausgehen.
00:08:01: Und dann nehme ich auch die Politik in die Pflicht.
00:08:03: Weil ihr könnt es ja nur machen...
00:08:04: ihr könnt ja nur den Rahmen nutzen,
00:08:06: der euch gesteckt wurde von der Politik,
00:08:08: von den Behörden.
00:08:09: Und was fehlt in Österreich
00:08:11: ist eine übergeordnete Energie-Raumplanung.
00:08:13: Wir haben jetzt das Problem:
00:08:14: Die Gemeinde sagt nein, sagt ja,
00:08:15: das Land sagt nein und sagt ja,
00:08:17: aber in Wirklichkeit müssen wir uns doch hinsetzen -
00:08:19: die Projektwerber, die Gemeinden, die Länder,
00:08:22: der Bund, die Behörden, die Umweltschutzorganisationen,
00:08:25: Bürgerinnen und Bürgern - und müssten sagen:
00:08:27: Wie viel erneuerbare Energie müssen wir eigentlich
00:08:30: über einen gewissen Zeitraum produzieren?
00:08:32: Welche Kapazitäten brauchen wir dafür?
00:08:34: Und wo gibt es in Österreich geeignete Zonen?
00:08:38: Was ist die geeignete Technologie -
00:08:40: Photovoltaik, Windkraft, Wasserkraft -
00:08:41: um diese erneuerbare Energie zu erzeugen?
00:08:44: Das tun wir aber nicht.
00:08:45: Es gibt keine übergeordnete Energie-Raumplanung.
00:08:47: Es gibt keinen Prozess,
00:08:48: wo man sich am Runden Tisch hinsetzt und sagt:
00:08:50: So viel braucht man,
00:08:51: so viel bauen wir hier und dort aus.
00:08:53: Das wäre natürlich notwendig.
00:08:54: Und dann würden wir eben auch
00:08:55: diese Konflikte im Kleinen vermeiden,
00:08:57: wenn es so eine übergeordnete Planung gäbe.
00:08:58: Und hier ist auch die Politik säumig.
00:09:01: Und ich verstehe es auch natürlich,
00:09:02: dass es dann bei den einzelnen Projekten
00:09:04: zu Konflikten kommt.
00:09:06: Bin ich auch ganz oft auf der Seite
00:09:08: der vielen Initiativen,
00:09:09: die sich hier einfach im Interesse
00:09:11: der Bürgerinnen und Bürgern
00:09:12: und Umwelt auch einsetzen.
00:09:14: Darf ich mich da kurz einbringen.
00:09:15: Ein übergeordneter Energie-Plan.
00:09:17: Tolle Sache. Wäre auch ganz wichtig.
00:09:21: Aber in dem Augenblick,
00:09:22: wo dann der übergeordnete Energie-Plan
00:09:23: auf Kleinräumiges heruntergebrochen wird,
00:09:27: wenn das Windrad vor meinem Gartenzaun steht,
00:09:30: dann ist mir der übergeordnete Energie-Plan
00:09:32: als Bürgerinitiative vollkommen wurscht.
00:09:33: Da gilt dann sofort Nimby.
00:09:35: Also würde das wirklich die Probleme verhindern?
00:09:37: Ja, wenn wir vorher auch dafür sorgen,
00:09:40: dass die Materien-Gesetze, die die Grundlage
00:09:43: für die Umweltverträglichkeitsprüfung sind,
00:09:45: auch entsprechend ausgestaltet sind.
00:09:46: Auch hier entzieht sich der Gesetzgeber
00:09:48: oft der Verantwortung,
00:09:49: formuliert die Gesetze unklar.
00:09:51: Und wenn ich aber diese Gesetze klar formuliert habe,
00:09:53: wenn der Gesetzgeber einen klaren Rahmen setzt,
00:09:55: dann kann die Behörde aufgrund dieser
00:09:57: sehr klar formulierten Gesetze auch entscheiden:
00:10:00: Ist dieses Projekt genehmigungsfähig oder nicht?
00:10:03: Da kann es natürlich Einsprüche geben
00:10:05: von den BürgerInnen-Initiativen.
00:10:06: Aber wenn die Gesetzeslage klar ist,
00:10:08: werden diese Projekte auch genehmigt
00:10:11: und gelangen zum Bewilligungsverfahren.
00:10:13: Es gibt natürlich immer einzelne Ausreißer Projekte,
00:10:15: die lange dauern,
00:10:16: weil sie eine besonders hohe Aufmerksamkeit bekommen.
00:10:18: Das ist das Großprojekt,
00:10:19: Projekte in sensiblen Gebieten, in Schutzgebieten.
00:10:22: Aber in der Regel ist die UVP
00:10:24: innerhalb eines Jahres abgeschlossen
00:10:26: und man muss auch dazu sagen,
00:10:27: dass nur 3 oder 4 Prozent aller Umweltverträglichkeitsprüfungen
00:10:31: negativ beschieden werden.
00:10:33: Die UVP ist ein Verbesserungsinstrument,
00:10:35: keine Verhinderungsinstrument.
00:10:37: Aber man kann sie noch verbessern,
00:10:39: um eben auch der Energiewende,
00:10:40: die unser gemeinsames Interesse ist,
00:10:42: auch noch einen Vorteil zu verschaffen.
00:10:45: Du sagst nur ein Jahr.
00:10:47: Wir erleben auch schon,
00:10:49: dass es mal länger dauert.
00:10:50: Nehmen wir mal die Salzburg-Leitung.
00:10:51: Die hat 20 Jahre gedauert.
00:10:52: Die Salzburg-Leitung ist was und wo?
00:10:53: Die Salzburg-Leitung ist eine Hochspannungsleitung,
00:10:57: die so einen Ringschluss in Österreich schafft,
00:11:00: damit wir Energie verteilen können.
00:11:02: Weil die dezentrale Energie,
00:11:03: die wir heute erzeugen,
00:11:04: braucht andere Leitungsnetz-Kapazitäten.
00:11:06: Wir haben nicht mehr Groß-Kraftwerk zu Fabrik,
00:11:08: sondern wir haben viele Kraftwerke
00:11:10: zu vielen Punkten.
00:11:12: Und wir brauchten diese Hochspannungsleitung.
00:11:13: Die ist jetzt im Bau.
00:11:15: Eines der umstrittensten Infrastrukturprojekte
00:11:17: wahrscheinlich in Österreich.
00:11:18: Diese Hochspannungsleitungen,
00:11:20: die über alpines Gelände als Freileitung,
00:11:22: also Masten und Kabel führt.
00:11:25: Ist das jetzt gut aus eurer Sicht,
00:11:27: dass sowas 20 oder 30 Jahre dauert?
00:11:29: Nein.
00:11:31: Eine Entscheidung so lange hinauszuzögern
00:11:32: ist nicht gut.
00:11:33: Gleichzeitig muss man gerade bei Projekten,
00:11:36: die linear sind,
00:11:37: die sich über eine weite Strecke ziehen,
00:11:38: viele AnrainerInnen und Anrainer berühren
00:11:41: und beschäftigen
00:11:42: und auch durch viel Natur durchgehen,
00:11:45: dass solche Projekte natürlich
00:11:47: in der Bewilligung länger dauern
00:11:48: als mögliche kleine, einfache Projekte,
00:11:50: liegt auch in der Natur der Sache,
00:11:52: muss man sagen.
00:11:54: Aber ich würde gern von diesem einen Thema:
00:11:57: Länge der Verfahren, Bewilligungen wo darf ich bauen?...
00:12:00: Das ist wirklich eine Verantwortung der Politik,
00:12:02: hier für klare Bedingungen zu sorgen.
00:12:04: Darf ich kurz unterbrechen.
00:12:05: Es ist die Verantwortung der Politik.
00:12:07: Aber ihr als Umwelt- und Naturschutzorganisation
00:12:09: könntet ja auch die Hilfestellung bringen,
00:12:10: eine Art Positivliste machen und sagen:
00:12:12: Hier wären Potenziale,
00:12:13: hier wäre es möglich gewesen.
00:12:14: Das gibt es, das gibt es.
00:12:16: Ja natürlich.
00:12:17: Also diese Sektionierungsvorschläge,
00:12:18: gerade in der Wasserkraft,
00:12:19: die gibt es von unserer Seite.
00:12:21: Wobei wir nicht sagen:
00:12:23: Hier ist die Strecke,
00:12:24: die wir ausgewiesen haben als mögliche Strecke.
00:12:26: Und da braucht es dann keine Prüfung mehr.
00:12:28: Sondern das sind aus unserer Sicht
00:12:29: die Strecken zum Beispiel und die Gebiete.
00:12:31: Also ihr seid jetzt nicht die Nein sagen.
00:12:33: Sondern ihr sagt: Okay.
00:12:34: Es ist notwendig, es gäbe Potenzial.
00:12:35: Ja, wir sagen, wo es auf jeden Fall nicht geht.
00:12:38: Was natürlich auch bedeutet,
00:12:39: dass es in einem anderen Gebiet
00:12:41: mit einer entsprechenden Umweltverträglichkeitsprüfung
00:12:43: aus naturschutz-fachlicher Sicht
00:12:46: von vornherein keine großen Bedenken gibt.
00:12:49: Aber natürlich braucht es in jedem Fall
00:12:50: eine Einzelfallprüfung
00:12:52: und nicht nur die Einzelfallprüfung.
00:12:54: Weil wenn ich mir den Zustand der Arten
00:12:56: und der Lebensräume in Österreich anschaue,
00:12:58: ist gerade die Einzelfallprüfung das Problem.
00:13:00: Es wird oft bei Wasserkraftwerken zum Beispiel
00:13:02: das einzelne Projekt überprüft,
00:13:04: dann auch bewilligt,
00:13:05: aber nicht die Summen-Wirkung üperprüft -
00:13:08: wenn ein Fluss mehrere Wasserkraftwerke gebaut werden.
00:13:12: Und in der Summen-Wirkung kann es,
00:13:14: obwohl ein einzelnes Projekt unproblematisch ist
00:13:16: oder wenig problematisch ist,
00:13:18: dann doch zu massiven Auswirkungen
00:13:19: auf die Biodiversität kommen.
00:13:21: Und in Österreich haben wir den Fall,
00:13:23: dass wir weit davon entfernt sind,
00:13:25: ein Umwelt-Musterland zu sein.
00:13:27: Es sind nur noch 15 Prozent
00:13:29: aller Fluss-Strecken in Österreich
00:13:30: in einem sehr guten ökologischen Zustand
00:13:32: und 60 Prozent sind sanierungsbedürftig.
00:13:34: Was bedeutet das?
00:13:35: Dass wir verpflichtet sind,
00:13:37: nach EU-Recht bis 2027 diese 60 Prozent
00:13:41: in einen guten Zustand zu versetzen.
00:13:43: Die sind jetzt in keinem guten Zustand.
00:13:45: Und was tun wir, anstatt uns zu bemühen,
00:13:47: diese 60 Prozent in einen guten Zustand zu versetzen.
00:13:50: Es werden weitere Bauwerke,
00:13:52: Wasserkraftwerke bewilligt
00:13:54: und das steht eigentlich diesem Ziel entgegen,
00:13:58: dass wir unsere Flüsse sanieren müssen
00:13:59: und nicht weiter so bauen dürfen.
00:14:01: Ich habe jetzt mehr eine Wissensfrage.
00:14:03: Vielleicht auch, weil diejenigen,
00:14:04: die zusehen, zuhören,
00:14:06: die vielleicht das Interesse auch haben.
00:14:09: Was ist denn an den drei großen Technologien –
00:14:11: Wasser hast du gerade genannt, Wind und Photovoltaik -
00:14:14: was sind denn eigentlich
00:14:15: die stärksten Natur-Auswirkungen,
00:14:17: die diese drei Technologien haben,
00:14:19: die wir beachten müssen?
00:14:20: Also bei der Wasserkraft.
00:14:22: Jedes Wasserkraftwerk
00:14:23: ist ein Eingriff in die Gewässer-Ökologie.
00:14:25: Es wird der Flusslauf,
00:14:27: es wird auch der Durchfluss verändert.
00:14:29: Ich habe hier zum Beispiel die Turbinen,
00:14:31: die eine Gefahr sind für die Fische.
00:14:33: Ich habe durch Sunkschwall,
00:14:34: das ist diese künstliche Veränderung des Wasserstandes,
00:14:36: werden jedes Jahr in den Flüssen
00:14:39: Millionen von kleinen Fischen getötet.
00:14:40: Also die Durchlässigkeit wird verändert.
00:14:43: Es wird auch der Lauf des Flusses verändert,
00:14:45: die Restwassermengen werden verändert.
00:14:47: Das ist das große Problem,
00:14:48: in erster Linie bei der Wasserkraft.
00:14:49: Bei der Windkraft sind es die Vögel.
00:14:51: Hier gibt es aber schon gute Beispiele,
00:14:53: wie zum Beispiel im Burgenland,
00:14:54: wo gemeinsam mit Birdlife,
00:14:56: mit der Vogelschutzorganisation
00:14:57: eine Zonierung gemacht wurde,
00:14:59: die den Schaden für die Vögel möglichst geringhält.
00:15:03: Und das hat auch gut funktioniert.
00:15:05: Und bei der Photovoltaik ist es der Flächenverbrauch,
00:15:07: mit dem wir in Österreich massiv zu kämpfen haben.
00:15:09: Österreich ist Spitzenreiter im Flächenverbrauch,
00:15:11: in der Bodenversiegelung, dem Bodenverbrauch pro Kopf.
00:15:13: Und wir beobachten hier leider,
00:15:15: dass es auch in der PV,
00:15:18: wo das Ausbau-Potential aus unserer Sicht
00:15:21: noch am größten ist bei den Erneuerbaren,
00:15:23: sehr stark in die Freifläche gegangen wird,
00:15:25: obwohl es genug verbaute Flächen
00:15:28: oder sogenannte vorbelastete Flächen
00:15:30: in Österreich gibt.
00:15:31: Oft ist es natürlich teuer,
00:15:33: dann dort diese Paneele aufzustellen.
00:15:35: Teurer als auf der Freifläche.
00:15:36: Und deswegen wird häufig die Freifläche bevorzugt,
00:15:39: oft am Rand von Schutzgebieten,
00:15:41: oft in ökologisch sensiblen Gebieten.
00:15:44: Aber hier ist auf jeden Fall das größte Potenzial.
00:15:47: Und im Wesentlichen gilt für alle drei Technologien:
00:15:50: Hände weg von Schutzgebieten,
00:15:52: Hände weg von naturschutz-fachlich wertvollen Flächen,
00:15:55: Hände weg von sensiblen Gebieten
00:15:57: und vor allem auch ganz wichtig
00:15:58: von sogenannten Wildtier-Korridoren,
00:16:00: also von Gebieten, die die Wildtiere brauchen,
00:16:03: um ihre Populationen zu vernetzen.
00:16:05: Das sind die wichtigsten Ausschlusskriterien.
00:16:08: Am Donnerstag unterschreibe ich alles,
00:16:10: was du gesagt hast.
00:16:11: Am Freitag sitze ich mit Ulrich
00:16:12: hier in der Arena und sag:
00:16:14: Wir brauchen aber den Ausbau der Erneuerbaren,
00:16:16: weil wenn wir da nicht massiv ausbauen,
00:16:17: dann schaffen wir die Energiewende nicht.
00:16:19: Und wenn wir die Energiewende nicht schaffen,
00:16:21: dann schaffen wir auch die Klima-Wende nicht.
00:16:24: So. Bei wem soll ich jetzt zuerst unterschreiben
00:16:26: oder nicht unterschreiben?
00:16:27: Wer von euch beiden hat jetzt recht?
00:16:29: Wir müssen definitiv ausbauen.
00:16:30: Sonst schaffen wir die Energiewende nicht.
00:16:32: Unter Berücksichtigung dieser Ausschlusskriterien,
00:16:37: die ich gerade genannt habe.
00:16:39: Da gibt es auch noch ein enormes Potenzial,
00:16:40: vor allem bei der PV in Österreich.
00:16:42: Ich meine, wenn man sich nur umsieht,
00:16:43: wie viele Dächer wir hier haben,
00:16:44: das ist alles potenzielle PV Fläche.
00:16:47: Schatten-Parkplätze bei der Shopping City zum Beispiel.
00:16:49: Ist ein gutes Beispiel.
00:16:50: Ist eine vorbelastete Fläche,
00:16:52: ist bereits versiegelt.
00:16:52: Könnte ich nutzen, um dort Strom,
00:16:55: nachhaltigen Strom, sauberen Strom zu erzeugen.
00:16:59: Was nicht gelingen wird ist,
00:17:01: dass wir unseren Energiebedarf
00:17:03: aus Erneuerbaren decken,
00:17:04: wenn wir es nicht schaffen,
00:17:05: unseren Verbrauch massiv zu drücken.
00:17:07: Das ist der Kernpunkt in dieser Debatte.
00:17:10: Wir diskutieren sehr oft darüber,
00:17:13: den einen Energieträger, die eine Technologie -
00:17:16: auch im Verkehr - durch eine andere,
00:17:18: umweltfreundlichere zu ersetzen.
00:17:20: Allerdings wenn man sich den Energieverbrauch anschaut,
00:17:22: wie er in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist.
00:17:24: Wenn das so weitergeht...
00:17:26: Auch wenn wir sämtliche erneuerbaren Potenziale
00:17:29: in Österreich ausbauen,
00:17:31: auch wenn wir dabei völlig auf den Naturschutz vergessen,
00:17:34: werden wir in ein paar Jahren, Jahrzehnten
00:17:36: das gleiche Problem haben wie jetzt.
00:17:38: Nämlich, dass wir unseren Energiehunger
00:17:39: nicht erneuerbar stillen können.
00:17:41: Ganz egal, wie viel wir tun,
00:17:44: wie schnell wir sind,
00:17:45: es wird sich nicht ausgehen.
00:17:46: Seid ihr euch da einig?
00:17:47: Siehst du das genauso?
00:17:48: Also ich bin mir mit Hanna einig.
00:17:51: Wir müssen mit dem Energieverbrauch
00:17:52: um 50 Prozent runter.
00:17:53: Sagt jedes vernünftige Szenario.
00:17:55: Hier vom Umweltbundesamt,
00:17:57: kann man bei internationalen Organisationen schauen.
00:17:59: Minus 50 Prozent,
00:18:01: das heißt Energieeffizienz, andere Technologien.
00:18:05: Also die großen Hebel sind Technologie,
00:18:07: immer bessere Technologie, die wir zum Teil haben,
00:18:10: die zum Teil entwickelt wird.
00:18:12: Da müssen wir um 50 Prozent runter.
00:18:14: Aber selbst wenn wir die 50 Prozent runtergehen,
00:18:16: dann geht es sich nach heutigen Maßstäben nicht aus.
00:18:19: Jetzt bin ich ja immer sehr optimistisch
00:18:21: und wir kriegen ja auch Feedback auf diese Podcasts.
00:18:23: Und da heißt es immer,
00:18:24: ich bin zu optimistisch.
00:18:26: Jetzt bin ich halt mal nicht so optimistisch.
00:18:27: Es gibt tatsächlich eine Chance,
00:18:29: dass wir das Ziel 2030, 100 Prozent Erneuerbaren
00:18:33: nicht erreichen werden.
00:18:34: Das heißt auch klimaneutral bis 2040,
00:18:37: so wie es sich die Bundesregierung vorgenommen hat,
00:18:39: wäre dann nicht erreichbar.
00:18:41: Dann rutschen wir auf 2050, auf 2060.
00:18:43: Wenn wir dahin rutschen,
00:18:44: dann schaffen wir die 2 Grad von Paris nie im Leben.
00:18:47: Und die 1,5 Grad,
00:18:49: die können wir uns gleich in die Haare schmieren.
00:18:51: Das geht dann nicht.
00:18:52: Ich bleibe aber trotzdem optimistisch,
00:18:55: weil es muss gehen.
00:18:57: Es gibt gar keine Alternative.
00:18:58: Das was passiert - und Hanna hat es beschrieben -,
00:19:01: wenn wir die Klimakrise nicht bewältigen,
00:19:03: dann wird die Artenvielfalt dramatisch hinuntergehen,
00:19:07: also dramatisch.
00:19:08: Wie viele Arten verlieren wir jedes Jahr?
00:19:11: Das ist ja unfassbar.
00:19:13: Das heißt, diese Klimakrise müssen wir bewältigen,
00:19:14: weil sonst haben wir sowieso im Umweltschutz ein Problem.
00:19:17: Deswegen ist mein Fokus immer so stark
00:19:19: auf die Klimakrise und Technologien einführen,
00:19:23: die CO2 neutral sind.
00:19:25: Das fängt mit der Energieversorgung an,
00:19:26: weil das ist das Allergrößte.
00:19:27: Die Energieversorgung ist nach wie vor der Sektor,
00:19:30: der am meisten CO2 emittiert, weltweit.
00:19:32: Dann kommt der Verkehr – katastrophal.
00:19:34: Vor allem in Österreich katastrophal.
00:19:36: Ständig steigend und nicht sinkend.
00:19:38: Raum- und Technologiewechsel ganz klar.
00:19:41: Und in der Industrie.
00:19:42: Da ist interessanterweise am meisten passiert.
00:19:44: Also die, die immer so als die Bösen hingestellt sind,
00:19:46: die haben ehrlich gesagt am meisten getan.
00:19:48: Aber wir müssen schnell ganz viel tun,
00:19:51: sonst geht sich das nicht aus.
00:19:53: Hanna, hilf mir bitte.
00:19:54: Die Rollenverteilung zwischen Ulrich und mir
00:19:56: ist in der Regel die:
00:19:57: Er ist ein unverbesserlicher Optimist
00:20:00: und ich bin der Apologet der Apokalypse und sag
00:20:02: „Das geht sich alles nicht aus“.
00:20:03: Jetzt verliert er seinen Optimismus.
00:20:06: Schaffen wir das?
00:20:07: Gibt es eine Chance, das zu schaffen?
00:20:09: Die gibt es.
00:20:10: Aber wir haben wirklich extrem viel Zeit verloren.
00:20:12: Also es ist knapp. Es wird sehr knapp.
00:20:15: Und ich bin ein bisschen pessimistisch auch geworden
00:20:19: mit dem Beschluss über die Steuerreform
00:20:23: vor einigen Wochen.
00:20:25: Weil das wird nicht ausreichen.
00:20:27: Wir haben große Hoffnungen in die Steuerreform gesetzt,
00:20:30: weil das ist ein wichtiger Hebel.
00:20:31: Neben Technologie sind auch regulatorische Maßnahmen,
00:20:33: steuerungspolitische Maßnahmen der große Hebel.
00:20:36: Wenn ich gesetzliche Vorgaben mache,
00:20:38: wenn ich aufhöre umweltschädliche Subventionen auszuzahlen
00:20:40: in Milliardenhöhe jedes Jahr
00:20:42: und gleichzeitig auch Umweltverschmutzung
00:20:45: mit einem fairen Preis belege,
00:20:47: dann ist das ein riesengroßer Hebel,
00:20:49: der leider nicht in dem Umfang genutzt wurde,
00:20:52: wie er genutzt werden sollte.
00:20:54: Der CO2-Preis ist viel zu niedrig,
00:20:55: der Einstiegspreis.
00:20:56: Steigt auch viel zu langsam an.
00:20:58: Was auch dazu führt, dass in den entscheidenden Feldern –
00:21:02: du hast es gesagt, Industrie hat schon viel gemacht;
00:21:04: auch die Haushalte haben schon viel gemacht...
00:21:07: Aber wo wir wirklich runter müssen
00:21:08: mit dem Energieverbrauch, ist im Verkehr.
00:21:10: Und da haben wir in Österreich ein echtes Problem.
00:21:13: Und da gibt es auch ganz große Missverständnisse.
00:21:15: Das große Missverständnis ist:
00:21:16: Wir müssen nur die Verbrennungsmotoren
00:21:18: durch E-Motoren ersetzen.
00:21:20: Aber was passiert dann,
00:21:21: wenn wir weiterhin so viel Auto fahren?
00:21:22: Wenn jeder zwei Autos hat
00:21:24: und alle Strecken mit dem Auto zurücklegt,
00:21:25: müssen wir natürlich viel, viel, viel mehr
00:21:26: erneuerbaren Strom produzieren in Österreich.
00:21:29: Und das wieder mutmaßlich auf Kosten des Naturschutzes.
00:21:32: Wir müssen einfach weniger Auto fahren.
00:21:34: Also der eine Hebel ist Technologie,
00:21:37: der andere ist ein System-Wandel,
00:21:39: ein Wandel in unseren täglichen Gewohnheiten.
00:21:42: Ich habe jetzt eine
00:21:43: ganz grundsätzliche Frage auch noch an dich.
00:21:45: Wenn man in einer Umwelt-,
00:21:47: einer Naturschutzorganisation arbeitet,
00:21:48: kann man das nicht machen,
00:21:50: wenn man nicht grundsätzlich Optimistin
00:21:52: oder Optimist ist, nehme ich an.
00:21:53: Du musst daran glauben,
00:21:54: dass wir die Wende noch schaffen.
00:21:56: Was motiviert dich?
00:21:57: Wie schaffst du es, in der Früh aufzustehen
00:21:59: und zu sagen: Hey, ich gehe jetzt zum WWF,
00:22:01: mache meinen Job und das hat auch noch einen Sinn.
00:22:04: Weil so wie das jetzt irgendwie klingt,
00:22:06: ist es ein bisschen fast wie:
00:22:07: Ach, auch schon wurscht.
00:22:08: Überhaupt nicht.
00:22:09: Weil man sieht, die Erfolge passieren oft im Kleinen.
00:22:12: Es sind oft die ganz kleinen Schritte,
00:22:14: die zu diesem großen Erfolg führen.
00:22:15: Da darf man auch nicht aufgeben.
00:22:19: Ich schaffe es nicht jeden Tag in die Arbeit zu gehen
00:22:21: und einen Riesenerfolg zu feiern.
00:22:23: Aber es passieren oft ganz kleine Dinge.
00:22:25: Wie zum Beispiel haben wir vor kurzem erfahren,
00:22:26: dass nach einem Kampf über mehrere Jahre, Jahrzehnte
00:22:30: der Bewilligungsbescheid für das Kraftwerk Kleine Sulm
00:22:34: aufgehoben wurde.
00:22:36: Das ist ein Teilerfolg,
00:22:39: der einen langen Atem braucht,
00:22:40: aber eine irrsinnige Freude
00:22:42: bei den Kolleginnen und Kollegen,
00:22:43: die schon so lange dran sind, ausgelöst hat.
00:22:45: Und man weiß, wenn man dranbleibt,
00:22:47: wenn man hartnäckig bleibt,
00:22:49: kann man auch was erreichen.
00:22:50: Wir haben es jetzt gerade geschafft,
00:22:51: nach über 25 Jahren Arbeit
00:22:53: das größte Fluss-Schutzgebiet in Mitteleuropa ausweisen zu lassen.
00:22:56: Es gibt den ersten Fünf Länder Biosphären-Park der Welt
00:22:59: an Mur, Drau und Donau.
00:23:02: Und der Kollege, der da vor 25 Jahren
00:23:04: zum Ersten Mal hingekommen ist und gesagt hat:
00:23:05: „Ich werde dieses Gebiet hier schützen“,
00:23:08: der hat einfach dran geglaubt
00:23:10: und er hat 25 Jahre lang nicht lockergelassen.
00:23:12: Das ist das, was mich motiviert,
00:23:14: weil man sieht es geht, es ist möglich.
00:23:17: Aber es gibt auch immer wieder Rückschläge,
00:23:18: mit denen muss man umgehen können.
00:23:20: Und damit komme ich jetzt zu meiner letzten Frage.
00:23:22: Ulrich, zu dir komme ich nachher auch noch einmal dann.
00:23:25: Aber wir wollen unseren Zuhörern, Zuhörerinnen,
00:23:28: Zuseherinnen, Zusehern immer auch etwas mitgeben,
00:23:31: wo sie konkret sich selbst
00:23:32: und andere motivieren können
00:23:33: durch konkrete Aktionen, Aktivitäten.
00:23:35: Das nennen wir den Tipp am Freitag,
00:23:37: wo es eben nicht um 25 Jahre Fristen geht,
00:23:41: sondern ich mache heute etwas
00:23:43: und merke zumindest für mein Ego
00:23:44: und für mein Umfeld einen kleinen Impact.
00:23:46: Etwas, wo ich merke:
00:23:48: Die Welt kann man doch zum Guten verändern.
00:23:49: Dieser Tipp am Freitag sollte möglichst konkret sein.
00:23:51: Was wäre denn dein Tipp am Freitag für unser Publikum?
00:23:56: Mein Tipp am Freitag wäre ein Projekt des WWF,
00:24:02: das wir gemeinsam in ganz Europa ausgerollt haben.
00:24:04: Man findet das auf www.at/superpower.
00:24:09: Warum Superpower?
00:24:10: Wir haben alle eine Superkraft,
00:24:12: wenn es um den Klimaschutz geht.
00:24:15: Und das ist unsere Ernährung.
00:24:17: 37 Prozent aller Emissionen global
00:24:19: werden ausgelöst durch unsere Ernährung,
00:24:22: durch die Art und Weise, wie wir essen.
00:24:24: Und da treffen wir ja täglich mehrere Entscheidungen
00:24:27: von in der Früh bis am Abend,
00:24:28: im Supermarkt, beim Essen.
00:24:29: Und hier können wir jedes Mal, wenn wir essen,
00:24:32: eine Entscheidung für oder gegen das Klima treffen.
00:24:34: Und wie das geht, findet man unter
00:24:37: www.wwf.at/superpower.
00:24:40: Dort gibt es den Fischratgeber,
00:24:42: einen Fleischratgeber des WWF.
00:24:44: Es gibt Rezepte, es gibt Tipps,
00:24:47: wie man seine Superkraft, nämlich die Ernährung,
00:24:50: im Kampf für den Klimaschutz einsetzen kann.
00:24:52: Hanna, vielen Dank
00:24:54: für die Vermittlung von Superpower
00:24:57: und anderen motivatorischen Argumenten.
00:25:00: Ulrich. In der Regel sind sich die Menschen,
00:25:04: mit denen wir reden, hier sehr, sehr einig.
00:25:06: Diesmal war es ein bisschen mehr Konfrontation.
00:25:09: Was nimmst du aus diesem Gespräch heute mit?
00:25:11: Also das Thema Umweltschutz versus Klimaschutz aufzulösen,
00:25:14: ist extrem schwierig.
00:25:16: Da gibt es widerstreitende Interessen.
00:25:19: Und mitnehmen tue ich heute von Hanna,
00:25:23: dass diese Diskussion geführt werden muss.
00:25:25: Und mit Hanna kann man sie führen,
00:25:27: auch durchaus ein bisschen kontroverser.
00:25:30: Wir müssen die Politik da hineinnehmen.
00:25:32: Wir müssen die Menschen hineinnehmen.
00:25:33: Und diese Diskussion wirklich so führen,
00:25:35: dass wir es ausstreiten.
00:25:36: Und am Ende muss da was stehen, dass wir sagen:
00:25:38: Da sind schützenswerte Naturräume,
00:25:40: die greifen wir nicht an. Auf keinen Fall.
00:25:43: Und da gibt es auch gar keinen Projektwerber,
00:25:44: der jemals auf die Idee kommen würde,
00:25:46: da überhaupt einen Antrag einzureichen.
00:25:48: Dafür gibt es aber dann auch bitte schön Räume,
00:25:50: wo man sagen kann: Da geht diese Technologie
00:25:53: und da machen wir es dann auch.
00:25:54: Und dann machen wir es bitte auch.
00:25:55: Und dann eiern wir nicht acht Jahre rum
00:25:57: oder 20 oder 30,
00:25:58: sondern da machen wir das in ein, zwei, drei Jahren.
00:26:00: Stellen die notwendigen erneuerbaren Energieanlagen auf
00:26:04: mit möglichst geringen Naturschutz-Eingriffen
00:26:07: und lassen die Naturräume, die wir brauchen, unberührt.
00:26:10: Und dann kriegen wir das schon hin.
00:26:11: Das nehme ich mit, dass das gehen kann.
00:26:13: Aber das ist ein ziemlich dickes Brett,
00:26:14: das wir gemeinsam bauen müssen.
00:26:16: Es ist alternativlos.
00:26:17: Wir müssen die Klimakrise bekämpfen.
00:26:19: Aber unsere wichtigste Verbündete
00:26:20: im Kampf gegen die Klimakrise
00:26:21: ist natürlich die Natur.
00:26:23: Gerade auch wenn wir jetzt
00:26:24: die Auswirkungen schon spüren.
00:26:25: Also zum Beispiel: Wir brauchen intakte Natur,
00:26:28: die uns vor Hochwasser schützt,
00:26:29: die wir uns vor Dürre schützt,
00:26:30: die uns mit Trinkwasser versorgt,
00:26:31: die unsere Umgebung runter kühlt.
00:26:33: Und genau deswegen dürfen wir das eine
00:26:36: nicht dem anderen opfern,
00:26:37: weil ohne eine intakte Natur
00:26:40: werden wir die Klimakrise auch nicht überleben.
00:26:43: Dann sage ich als Super-Zyniker:
00:26:44: So wie es ausschaut -
00:26:45: mit zig Arten, die jeden Tag aussterben.
00:26:47: A schon wurscht.
00:26:48: Nein, weil eine gewisse Resilienz
00:26:50: weist die Natur natürlich auf.
00:26:52: Die ist stärker als wir glauben.
00:26:53: Also sie hält einiges aus
00:26:55: und das sieht man auch,
00:26:56: wenn man sich den Planeten anschaut.
00:26:57: Also dass da die Prozesse immer noch funktionieren,
00:27:00: ist bemerkenswert.
00:27:02: Aber irgendwann einmal sind Kipppunkte erreicht.
00:27:04: Das ist wie im Klima.
00:27:05: Wir versuchen im Moment alles,
00:27:06: um diese Kipppunkt zu verhindern.
00:27:08: Und es gibt die eben auch im Naturschutz.
00:27:09: Und wenn wir schaffen,
00:27:11: eben diesen Kipppunkt zu vermeiden,
00:27:12: kann sich die Natur auch selbst wieder regenerieren
00:27:14: und kann wieder Gleichgewicht entstehen.
00:27:16: Ich sage das immer wieder:
00:27:17: Es gibt keine Alternative,
00:27:19: es gibt überhaupt keine Alternative zu Klimaschutz jetzt -
00:27:22: das ist mal mein primäres Thema -
00:27:24: aber auch zu Naturschutz.
00:27:26: Was passiert denn,
00:27:27: wenn wir die Ziele nicht erreichen?
00:27:28: Für 2030, für 2040, für 2050?
00:27:31: Dann passiert, dass wir in Österreich
00:27:34: noch einmal 3 bis 5 Grad Erderwärmung bekommen.
00:27:37: Wir haben ja schon 2 Grad,
00:27:39: weil wir durch diese Binnenlage
00:27:40: schon eine höhere Erwärmung haben.
00:27:41: Wenn wir 3 Grad, 4, 5 Grad haben,
00:27:43: dann sterben uns alle bekannten Bäume,
00:27:45: Gräser, Sträucher, die sterben schlicht und einfach.
00:27:48: Die Tiere, die wir haben,
00:27:49: die können nicht mehr hier leben,
00:27:51: die gehen woanders hin, sterben aus.
00:27:52: Also das ist das, was passiert.
00:27:54: Die Meeresspiegel steigen drastisch an.
00:27:55: Es kommt zu Verdrängungen,
00:27:57: wo die Menschen leben können,
00:27:58: es werden riesige Migrationswellen entstehen.
00:28:01: All diese Dinge passieren,
00:28:02: wenn wir nichts tun im Klimaschutz.
00:28:04: Deswegen: Es gibt überhaupt gar keine Alternative.
00:28:06: Der Druck steigt. Das ist gut.
00:28:09: Er ist aus meiner Sicht immer noch nicht hoch genug.
00:28:11: Das zeigt die Steuerreform,
00:28:12: die Hanna vorher angesprochen hat.
00:28:14: Die ist einfach viel, viel zu schwach.
00:28:15: Das sieht man, die Politik ist noch nicht da,
00:28:17: wo wir sein müssen
00:28:18: und wo viele Menschen by the way schon sind.
00:28:21: Optimismus... Schaffen wir es?
00:28:22: Ja, wir schaffen es,
00:28:23: weil wir es schaffen müssen.
00:28:25: Und wir tun es, weil wir es können.
00:28:28: Und deswegen wird es gehen.
00:28:30: Dann sage ich Danke
00:28:31: für ein doch optimistisches Schlusswort von dir, Ulrich.
00:28:34: Danke Hanna, dass du hier warst.
00:28:36: Ich finde es gut, wenn man so diskutiert.
00:28:38: Ich finde es gut, wenn ihr uns zuhört, uns zuseht.
00:28:42: Wenn ihr uns sagt und schreibt,
00:28:43: was ihr von dieser Diskussion haltet.
00:28:46: Und ich freue mich, beim nächsten Mal
00:28:47: bei Freitag in Arena
00:28:48: wieder mit euch zu plaudern.
00:28:51: Danke. Ciao und baba.