Freitag in der Arena - der oekostrom AG-Talk

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Transkript

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00:00:07: Herzlich willkommen bei Freitag in der Arena.

00:00:10: Wir sind hier heute ganz offensichtlich

00:00:12: nicht in der Wiener Arena,

00:00:14: die wird im Augenblick umgebaut.

00:00:15: Damit es ein bisschen authentischer aussieht,

00:00:17: haben wir aber uns einen Innenhof gesucht,

00:00:19: wo eine echte Ziegelmauer

00:00:21: sich hinter uns befindet.

00:00:23: Aber das ist nicht das einzige,

00:00:24: was heute ein bisschen anders ist.

00:00:26: Ich habe heute nur einen Gast,

00:00:28: eigentlich unseren Gastgeber Ulrich Streibl.

00:00:30: Hallo, schön, dass wir heute da sind,

00:00:32: obwohl der Anlass nicht wirklich schön ist.

00:00:35: Hallo Ulrich.

00:00:36: Hallo Tom.

00:00:37: …denn am 24. Februar

00:00:39: hat Wladimir Putin die Ukraine überfallen lassen

00:00:42: und seither ist vieles anders.

00:00:45: Auf einmal reden sehr, sehr viele Menschen darüber

00:00:49: aus dem Gas, aus fossilen Energieträgern

00:00:52: raus zu kommen.

00:00:54: Das ist etwas, was du Ulrich,

00:00:56: was die oekostrom AG seit Ewigkeiten predigt.

00:00:59: Aber diese Form der Bestätigung

00:01:00: hättet ihr euch vielleicht doch nicht

00:01:02: erhofft oder erwartet.

00:01:04: Nein, ich glaube, niemand konnte sich wünschen,

00:01:07: dass wir einen Krieg erleben müssen,

00:01:09: um zu sehen, wie abhängig wir

00:01:11: von fossilen Ressourcen sind.

00:01:13: Wir sind insbesondere beim Gas

00:01:15: sehr, sehr abhängig von fossilen Ressourcen,

00:01:17: speziell aus Russland.

00:01:19: Wir in Österreich beziehen 80 Prozent

00:01:23: unseres Erdgas, das wir

00:01:25: zum Heizen unsere Wohnungen verwenden,

00:01:27: das wir für die Industrie verwenden

00:01:29: aus Russland.

00:01:30: Deutschland bezieht 50 Prozent aus Russland.

00:01:33: Und dieses Gas ist nicht

00:01:34: von heute auf morgen einfach ersetzbar.

00:01:36: Wir sind hier

00:01:37: in einer großen Abhängigkeit von Russland.

00:01:39: Wir sind in einer großen Abhängigkeit

00:01:41: von fossilem Gas.

00:01:43: Und diese Abhängigkeit hat natürlich

00:01:44: auch geopolitische Auswirkungen,

00:01:46: die wir jetzt gerade dramatisch spüren.

00:01:48: Die oekostrom AG, du sagst seit Ewigkeiten,

00:01:52: seit ich dich kenne: Wir müssen raus

00:01:54: aus diesen fossilen Energieträgern.

00:01:56: Auf einmal übernehmen auch konservative

00:02:00: oder nicht so energiepolitisch

00:02:02: fortschrittliche Kreise genau dieses Diktum.

00:02:04: Aber niemand weiß, wie das funktionieren soll.

00:02:06: Wie kann denn das gehen?

00:02:07: Wir können nicht einfach sagen,

00:02:09: wir schalten 400.000 Gasheizungen in Wien ab.

00:02:11: Zunächst mal stellen wir schon

00:02:12: seit geraumer Zeit fest, seit einigen Jahren,

00:02:15: dass doch in der Gesellschaft

00:02:16: was in Bewegung kommt,

00:02:18: dass wir uns verändern müssen,

00:02:20: in unserer Gesellschaft, in unserer Industrie.

00:02:22: Denn wir können so ja nicht weitermachen.

00:02:23: Gerade dieser Tage ist

00:02:25: ein Bericht des Weltklimarats erschienen,

00:02:27: wahrscheinlich der dramatischste,

00:02:29: den es jemals gab.

00:02:30: António Guterres, der UNO-Generalsekretär,

00:02:32: sagte, er hat so etwas Schreckliches

00:02:34: noch nie gelesen.

00:02:35: Quintessenz dieses Berichts ist:

00:02:37: Etwa dreieinhalb Milliarden Menschen

00:02:40: werden den Lebensraum verlieren,

00:02:42: wenn wir nicht sehr schnell umsteuern

00:02:45: und das 1,5 Grad Ziel von Paris einhalten.

00:02:49: Insofern: Wir haben gar keine Wahl.

00:02:51: Wir zerstören gerade unsere Lebensgrundlagen.

00:02:53: Das ist vielen Menschen jetzt bewusst geworden.

00:02:56: Wie können wir das bewältigen?

00:02:58: Wir müssen sehr schnell

00:02:59: das Energiesystem umbauen,

00:03:01: hin zu den Erneuerbaren.

00:03:02: Und da gibt es immer diese Unkenrufe:

00:03:04: Das geht ja gar nicht.

00:03:05: Der Wind bläst, wann er blasen will

00:03:06: und die Sonne scheint, wann sie scheinen will.

00:03:09: Es geht schon.

00:03:11: Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran,

00:03:14: dass das geht.

00:03:15: Wir müssen die erneuerbaren Energien

00:03:17: massiv ausbauen.

00:03:18: Das ist im wesentlichen Wind

00:03:20: und das ist die Sonnenenergie, Photovoltaik

00:03:22: und auch die Sonnenthermie.

00:03:26: Und das können wir.

00:03:27: Wir haben die Technologien.

00:03:29: Wir müssen dazu die Netze ausbauen

00:03:30: und wir müssen die Speicher ausbauen.

00:03:32: Das ist alles möglich.

00:03:33: Das ist keine Raketenwissenschaft,

00:03:35: das ist nur eine Frage des Geldes.

00:03:37: Das ist eine Frage der Arbeitskräfte,

00:03:39: die wir brauchen.

00:03:40: Und es ist vor allem eine Frage

00:03:42: des politischen Willens.

00:03:43: Das Geld haben wir,

00:03:45: die Technologie und die Arbeitskräfte,

00:03:47: die haben wir oder wir finden sie.

00:03:49: Der politische Wille…

00:03:52: Der ändert sich gerade.

00:03:54: Er ändert sich.

00:03:55: Aber ich glaube,

00:03:57: dass viele auch in der Politik,

00:03:59: aber auch in der Gesellschaft noch nicht sehen,

00:04:01: wie dramatisch das ist.

00:04:02: Das geht jetzt in wenigen Jahren.

00:04:04: Wir reden hier nicht über 50 Jahre

00:04:06: oder 70 Jahre oder 100 Jahre,

00:04:08: wir reden vielleicht über 15, über 10 -

00:04:10: in der Zeit, in der wir das machen müssen.

00:04:12: So, wie bringt man jetzt 400.000 Gasthermen

00:04:16: aus den Wiener Haushalten raus.

00:04:18: Da hat die Stadt Wien ein gutes Programm dafür.

00:04:20: Wir müssen es nur beschleunigen.

00:04:21: Das heißt, wir müssen die Häuser,

00:04:24: die heute noch in Gasthermen hängen

00:04:26: oder die Einzelthermen in den Wohnungen haben

00:04:27: entweder an die Fernwärme anhängen

00:04:30: und die Fernwärme dekarbonisieren.

00:04:32: Das ist heute nämlich nicht so.

00:04:34: Die Fernwärme wird ja heute

00:04:35: mit fossilen Energien betrieben.

00:04:36: Zu einem großen Teil.

00:04:37: Es ist aber trotzdem effizienter

00:04:39: einen großen Brenner wie die Fernwärme

00:04:41: so zu betreiben,

00:04:42: als in jeden Haushalt

00:04:43: einen eigenen Brenner reinzustellen.

00:04:44: Das ist es auf alle Fälle.

00:04:45: Die großen Anlagen

00:04:46: haben viel bessere Effizienzgrade.

00:04:47: Nichtsdestotrotz: Die müssen weg.

00:04:48: Das ist überhaupt keine Frage.

00:04:50: Die müssen weg.

00:04:51: Nur wir müssen an einem Ende mal anfangen.

00:04:52: Es ist immer so ein Katz und Maus-Spiel.

00:04:55: Auf der einen Seite wird nichts getan,

00:04:57: weil auf der anderen Seite nichts passiert.

00:04:59: So kann es ja nicht gehen.

00:05:00: Also der Weg ist in die Fernwärme.

00:05:03: Und das andere sind die Wärmepumpen,

00:05:04: die inzwischen sehr, sehr gut ausgereift sind,

00:05:08: die mit Strom betrieben werden.

00:05:09: Auch dafür müssen wir

00:05:10: mehr erneuerbaren Strom produzieren.

00:05:12: Und wie produzieren wir den?

00:05:14: Es gibt eigentlich nur zwei Groß-Technologien,

00:05:17: das sind Wind und Sonne,

00:05:20: die wir noch ausbauen können.

00:05:21: Die Wasserkraft in Österreich

00:05:22: können wir kaum mehr ausbauen,

00:05:24: da ist sehr, sehr wenig Potenzial,

00:05:25: weil sie schon so gut ausgebaut ist.

00:05:26: Zum Glück.

00:05:27: Also rein in Wind und Sonne.

00:05:31: Und da gibt es unglaubliche Potenziale.

00:05:33: Jetzt ist es so:

00:05:34: Können wir das schnell genug schaffen?

00:05:37: Im Moment nein.

00:05:39: Es dauert heute acht Jahre,

00:05:41: um ein Windrad aufzustellen.

00:05:44: Also von der Planung von der grünen Wiese,

00:05:45: bis das Windrad steht acht Jahre.

00:05:47: Technisch brauchen wir aber nur ein Jahr.

00:05:49: Und aus meiner Sicht muss es gehen

00:05:51: mit Genehmigungsprozessen,

00:05:53: die auch nur ein Jahr dauern,

00:05:54: dann sind es zwei.

00:05:56: Das muss reichen und das kann auch reichen.

00:05:58: Da können alle Gutachten gemacht werden,

00:06:00: alle Stellungnahmen,

00:06:01: da können alle Bürgerbeteiligung gemacht werden,

00:06:03: die notwendig sind.

00:06:04: Das halte ich für sehr, sehr wichtig,

00:06:05: dass die Bürger beteiligt werden.

00:06:06: Aber das ist alles möglich.

00:06:07: Warum das acht Jahre dauert,

00:06:08: das erschließt sich niemandem.

00:06:10: Wenn wir zur Photovoltaik schauen:

00:06:11: Die Photovoltaik ist eine

00:06:13: sehr einfache Technologie.

00:06:14: Das sind Platten, die kommen auf Ständer,

00:06:15: da kommt ein Wechselrichter dran und ein Kabel

00:06:17: und dann steht das Ding.

00:06:18: Das sollte in einem halben Jahr passieren können.

00:06:21: Nehmen wir für das Genehmigungsverfahren

00:06:23: noch ein Jahr dazu.

00:06:24: Selbst Photovoltaik in Österreich

00:06:25: dauert drei Jahre.

00:06:27: Das ist alles viel zu langsam.

00:06:28: Aber das geht.

00:06:29: Glaubst du, dass jetzt der Ukraine-Konflikt,

00:06:31: dass die Angst um die Versorgungssicherheit

00:06:34: im nächsten Winter

00:06:35: ein politisches

00:06:37: und administratives Umdenken bewirkt?

00:06:39: Ja, ich glaube, dass das zum Umdenken bewirkt.

00:06:41: Denn die Situation ist ja bedrohlich.

00:06:43: Wir werden diesen Winter durchkommen

00:06:46: mit dem Gas,

00:06:48: das wir noch in den Speichern haben,

00:06:49: ohne dass es gravierende Einschnitte braucht.

00:06:52: Man muss auch sagen,

00:06:53: die Haushalte werden jedenfalls nicht beschränkt.

00:06:55: Es könnte aber bei Knappheiten

00:06:56: zu Einschränkungen in der Industrie kommen.

00:06:58: Im nächsten Winter

00:06:59: ist es schon deutlich schwieriger.

00:07:01: Wir haben heute so hohe Gaspreise,

00:07:03: die sind etwa fünfmal bis sieben Mal so hoch

00:07:07: wie noch vor einem Jahr.

00:07:08: Wer soll denn Gas kaufen

00:07:10: und das in Speicher legen?

00:07:12: Da müsste man ja die Annahme haben,

00:07:14: dass der Gaspreis noch weiter steigt.

00:07:16: Jetzt ist er aber so hoch

00:07:17: wie historisch noch nie.

00:07:18: Also es ist sehr unwahrscheinlich,

00:07:20: dass es Unternehmen gibt,

00:07:22: die heute Gas speichern.

00:07:23: Wenn niemand Gas kauft,

00:07:24: dann wird es nicht eingespeichert.

00:07:25: Kann man nur lösen,

00:07:26: indem man strategische Vorgaben gibt.

00:07:28: Der Staat Deutschland macht das gerade.

00:07:29: Ich halte das in diesem Fall

00:07:31: auch für sehr geboten.

00:07:32: Normalerweise regelt der Markt diese Dinge gut.

00:07:35: Aber wir haben einen Krieg vor der Haustür.

00:07:37: Und da kann der Markt die Dinge nicht regeln.

00:07:39: Das heißt, die Politik muss eingreifen.

00:07:41: Strategische Reservekapazitäten vorschreiben

00:07:44: und diese dann auch finanzieren.

00:07:47: Wir brauchen dieses Gas,

00:07:49: sonst kommen wir nicht durch den nächsten Winter.

00:07:51: Da müssen wir uns

00:07:52: überhaupt keine Illusionen machen.

00:07:53: Kurzfristig sind wir von Gas abhängig.

00:07:56: Das können wir nicht

00:07:57: in ein, zwei, drei Jahren ändern.

00:07:59: Deswegen müssen wir uns kümmern,

00:08:01: dass wir das haben.

00:08:02: Die nächste Frage klingt extrem zynisch.

00:08:04: Darum sage ich auch,

00:08:06: dass sie nicht so zynisch gemeint ist,

00:08:07: wie sie klingt.

00:08:08: Aber die Klimadiskussion

00:08:09: hat viele Menschen kalt gelassen.

00:08:11: Hat es einen Krieg gebraucht,

00:08:13: dass die Menschen erkennen,

00:08:14: wie abhängig und wie verletzlich wir sind

00:08:17: in unserer Energieversorgung?

00:08:20: Ja, es führt vor Augen, was wir hier tun.

00:08:24: Ich glaube,

00:08:25: es sind völlig unterschiedliche Aspekte.

00:08:26: Aber es führt vor Augen,

00:08:27: dass wir in einer neuen Welt leben

00:08:30: seit dem 24.2.

00:08:32: Der Bundeskanzler Deutschlands,

00:08:34: Olaf Scholz hat gesagt:

00:08:36: Wir erleben eine Zeitenwende.

00:08:37: Das ist eine Zeitenwende.

00:08:39: Das ist vielleicht der Beginn

00:08:42: einer nicht mehr so friedlichen Zeit in Europa,

00:08:44: wie sie meine Generation erleben konnte.

00:08:47: Wir werden uns jetzt tatsächlich

00:08:49: auf andere Zeiten einstellen müssen.

00:08:51: Und die haben immer mit Energiesicherheit zu tun.

00:08:53: Energie ist immer Geopolitik, immer.

00:08:56: Und wir müssen Energie geopolitisch denken.

00:09:00: Denn wir sehen, dass wir jetzt

00:09:02: im konkreten Fall mit Putin und seiner Clique

00:09:06: hier doch Leute haben, die unser Leben gefährden,

00:09:10: unseren Wohlstand gefährden,

00:09:12: unser Dasein gefährden,

00:09:13: unsere Industrie, unsere Schulen, unsere Bildung.

00:09:15: Und solchen Menschen

00:09:17: dürfen wir uns nicht ausliefern.

00:09:19: Das ist übrigens nicht nur der Herr Putin.

00:09:20: Da gibt es ein paar andere

00:09:22: Herren und Damen in der Welt,

00:09:23: die sitzen auf großen Energiereserven

00:09:26: und die meinen es ähnlich wenig gut

00:09:28: mit liberalen Demokratien wie wir.

00:09:32: Also wenn ich da an manche der Golfstaaten denke,

00:09:35: dann ist mir auch nicht wohl,

00:09:38: dass wir von denen abhängig sind.

00:09:40: Von heute auf morgen gibt es

00:09:41: keinen Plan B zur Gasversorgung,

00:09:45: zu den fetten Gaspipelines.

00:09:46: Aber es gibt ja doch was.

00:09:48: Die Atomkraft.

00:09:49: Ist das nicht der Moment, wo man sagen könnte,

00:09:51: damit wäre jedes Land energieautark.

00:09:53: Oder können wir nicht das Gas

00:09:54: aus ganz anderen Gegenden,

00:09:56: aus den USA uns liefern lassen.

00:09:59: Die Atomkraft ist eine Technologie,

00:10:03: die wir Menschen nicht beherrschen.

00:10:06: Sie ist wahnsinnig gefährlich.

00:10:07: Wir sehen das in Unfällen immer wieder,

00:10:09: wir beherrschen sie nicht.

00:10:10: Sie produziert Atommüll,

00:10:12: von dem wir Menschen nicht wissen,

00:10:13: was wir damit tun sollen.

00:10:15: Der strahlt hunderttausende Jahre, Zehntausende.

00:10:19: Und Atomenergie ist

00:10:23: die teuerste Form der Energieproduktion,

00:10:24: die wir kennen.

00:10:26: Die muss massiv finanziert werden

00:10:28: aus Steuergeldern.

00:10:29: Zum Glück haben sich die meisten Staaten

00:10:31: jedenfalls Europas entschieden,

00:10:33: keine Atomkraft mehr zu bauen.

00:10:35: Das gilt insbesondere für Deutschland,

00:10:37: die ja viel haben. Die steigen aus.

00:10:39: Und das ist auch gut so.

00:10:41: Es gibt letztlich in Europa nur zwei Länder,

00:10:44: von denen wir realistischerweise annehmen können,

00:10:46: dass sie weiterhin in der Atomkraft bleiben.

00:10:48: Das ist Finnland

00:10:50: und es ist vor allem Frankreich.

00:10:52: Deshalb hat Frankreich auch in der Taxonomie -

00:10:54: das ist ein Regelwerk,

00:10:56: nach dem beurteilt werden kann,

00:10:58: welche Investitionen als grün gelten -

00:11:01: Frankreich hat in dieser Taxonomie durchgesetzt,

00:11:04: dass die Atomkraft als grün bezeichnet wird.

00:11:07: Aber auch Gas.

00:11:08: Aber auch Gas. Da komme ich gleich dazu.

00:11:10: Atomkraft ist nicht grün.

00:11:12: Atomkraft produziert übrigens auch sehr viel CO2.

00:11:15: Denn die gesamte Uran-Kette,

00:11:17: überhaupt einmal die Brennelemente

00:11:19: im Bergbau zu gewinnen, dann zu erstellen,

00:11:23: aufzubereiten, zu transportieren,

00:11:25: in das Atomkraftwerk zu bringen.

00:11:27: Das braucht sehr, sehr viel CO2.

00:11:28: Atomkraft ist überhaupt keine Alternative.

00:11:30: Und das sollten wir tunlichst lassen.

00:11:35: Das bringt uns langfristig nirgendwo hin.

00:11:38: Gas ähnlich.

00:11:41: Das ist auch wieder ein politisches Spiel.

00:11:43: Frankreich hat sich die Atomkraft reklamiert

00:11:46: in der Taxonomie.

00:11:47: Im Gegenzug dann Deutschland das Gas.

00:11:49: Bei Gas wird immer gesprochen

00:11:50: von einer Brückentechnologie.

00:11:52: Und da wird schon lange gesprochen.

00:11:54: Und das ist so eine Brücke,

00:11:57: die irgendwie endlos ist

00:12:00: und die vor allem ins Nichts führt.

00:12:01: Gas ist keine Brückentechnologie.

00:12:03: Gas ist eine fossile Energie,

00:12:05: aus der es so schnell wie möglich heraus müssen.

00:12:07: Denn sonst werden wir genau diese Folgen,

00:12:10: die im Weltklimarat-Bericht,

00:12:12: der jüngst erschienen ist, beschrieben sind,

00:12:16: dass nämlich Milliarden von Menschen

00:12:18: ihre Lebensräume verlieren,

00:12:19: sonst werden wir die real erleben.

00:12:21: Und das ist dramatisch.

00:12:23: Deswegen raus aus Gas.

00:12:24: Das ist eine Brücke ins Nichts.

00:12:25: Das bringt gar nichts.

00:12:27: Das geht auch relativ schnell.

00:12:29: Aber das geht nicht bis zum nächsten Winter.

00:12:32: Das muss uns auch klar sein.

00:12:34: Aber wir können das in wenigen Jahren schaffen.

00:12:36: Raus aus dem Gas.

00:12:37: Allerdings müssen wir dann auch bereit sein,

00:12:39: Geld in die Hand zu nehmen und Tempo zu machen.

00:12:42: Sprechen wir jetzt endlich von Klima-

00:12:44: oder von Sicherheitspolitik gerade?

00:12:46: Wir sprechen, glaube ich, unter zwei Aspekten

00:12:48: über die Energieversorgung.

00:12:50: Die eine ist tatsächlich:

00:12:52: Wir zerstören gerade unsere Lebensgrundlagen.

00:12:54: Wir zerstören diesen Planeten.

00:12:55: Dem Planeten ist es relativ egal.

00:12:57: Nur wir können auf diesem Planeten

00:12:58: nicht mehr so leben

00:12:59: und schon sehr bald nicht mehr.

00:13:01: Also das werde auch ich noch erleben.

00:13:04: Auch meine Generation wird noch erleben,

00:13:06: dass wir auf diesem Planeten tatsächlich

00:13:08: unsere Lebensgrundlagen zerstört haben.

00:13:09: Unsere Kinder werden das dramatisch erleben.

00:13:12: Schon deshalb müssen wir handeln.

00:13:13: Und jetzt haben wir

00:13:15: die geopolitische Komponente dazu,

00:13:16: wo jetzt ganz drastisch

00:13:18: uns natürlich vor Augen geführt wird,

00:13:20: dass wir einfach abhängig sind von Regimen,

00:13:23: die auf den fossilen Energien sitzen,

00:13:25: die wir im Moment noch benötigen.

00:13:27: Auch das ist ein zweiter Aspekt.

00:13:28: Raus. Wir brauchen das nicht.

00:13:31: Wenn wir uns nur vorstellen,

00:13:32: wir zahlen im Moment aus Österreich heraus

00:13:35: neun Milliarden Euro für fossile Energie.

00:13:38: Würden wir diese neun Milliarden

00:13:40: im Land behalten,

00:13:42: würden uns hier unabhängig machen

00:13:44: von Despoten, Kriminellen und Verrückten,

00:13:46: die auf diesen Energiereserven sitzen.

00:13:49: Dann hätten wir sehr viel mehr erreicht.

00:13:51: Dann könnten wir deutlich sicherer leben.

00:13:54: Es wäre auch nicht möglich, dass ein Herrn Putin

00:13:57: und seine kriminelle Macht-Clique

00:13:59: Europa in diesem Maße angreift.

00:14:01: Wir geben ihm nämlich die Mittel in die Hand.

00:14:03: Nord Stream 2,

00:14:05: einer der größten geopolitischen Fehler

00:14:08: der letzten Dekade,

00:14:10: gibt Putin diese Mittel.

00:14:13: Die gesamte Gasversorgung,

00:14:15: diese Abhängigkeit von Gas,

00:14:17: das gibt Putin diese Mittel.

00:14:19: Wir haben uns vollständig abhängig gemacht.

00:14:21: Er kann nur angreifen, weil er weiß,

00:14:23: dass wir nicht zurückschlagen können.

00:14:25: Er weiß, dass wir begrenzte Optionen haben.

00:14:27: Wir brauchen sein Gas.

00:14:28: Und das macht ihn stark.

00:14:30: Und außerdem finanzieren wir übrigens

00:14:31: mit der Bezahlung dieser fossilen Energien

00:14:34: gerade den Krieg, den er führt.

00:14:37: Stichwort Nord Stream 2,

00:14:39: diese Mega-Gaspipeline, die du als

00:14:42: geopolitischen Fehler gerade bezeichnet hast.

00:14:44: Was ist die Alternative dazu?

00:14:47: Wir brauchen das Gas, hast du selber gesagt.

00:14:49: Wenn das Gas nicht kommt…

00:14:51: Man kann es nicht her beamen.

00:14:53: Wir brauchen weder Nord Stream 1,

00:14:54: noch brauchen wir Nord Stream 2,

00:14:56: denn es gibt genug Leitungskapazitäten

00:14:58: aus Russland für Gas.

00:14:59: Warum ist die Nord Stream 1 gebaut worden 2005?

00:15:04: Das war der Beginn einer Isolierung der Ukraine,

00:15:09: die Putin damals schon angefangen hat.

00:15:12: Er hat dann 2007

00:15:13: auf der Münchner Sicherheitskonferenz

00:15:16: eine Brandrede gehalten.

00:15:18: Dass er bedroht ist,

00:15:22: dass die Ukraine kein eigener Staat sein kann.

00:15:24: Das war alles schon angelegt.

00:15:26: Man muss allerdings sehen,

00:15:27: dass die Zeiten damals friedlicher waren.

00:15:29: Wir haben geglaubt,

00:15:30: dass wir mit den Russen Handel treiben können

00:15:33: und haben dieses Motto „Wandel durch Handel“

00:15:35: dort noch, glaube ich, legitimerweise genutzt.

00:15:38: Als Nord Stream 2 kam, war völlig klar,

00:15:41: das ist nur ein geopolitisches Projekt.

00:15:43: Es wurde immer wieder bezeichnet

00:15:46: als wirtschaftliches Projekt,

00:15:47: in das sich die Politik nicht einmischt.

00:15:49: Das war nie ein wirtschaftliches Projekt.

00:15:51: Es gibt ausreichend Leitungskapazitäten

00:15:55: durch die Ukraine und durch Polen.

00:15:57: Was hat Putin mit Nord Stream 1

00:15:59: und jetzt dann mit Nord Stream 2 gemacht?

00:16:02: Er hat die Ukraine bewusst umgangen,

00:16:04: um die Ukraine zu isolieren.

00:16:06: Die Haupt-Einkommensquelle der Ukraine

00:16:08: sind nämlich die Pipeline-Transporte

00:16:10: durch das Land.

00:16:11: Die hat Putin zu einem Teil

00:16:14: durch die Nord Stream 1, die ja schon läuft,

00:16:17: natürlich entzogen

00:16:19: und wollte der Ukraine durch Nord Stream 2

00:16:21: komplett dieses Transit-Einkommen entziehen.

00:16:24: Nord Stream 2 ist ihm nicht gelungen.

00:16:27: Das ist jetzt unter die Sanktionen gefallen

00:16:29: der Europäischen Union und der Welt.

00:16:32: Und das ist auch gut so.

00:16:33: Nord Stream 2 hätte nie gebaut werden dürfen.

00:16:36: Es gab genug Pipelines.

00:16:38: Die Frage ist, warum hat Putin das gemacht?

00:16:40: Und wir wissen jetzt die Antwort,

00:16:42: warum er das gemacht hat.

00:16:43: Sein Interesse war, die Ukraine zu schwächen.

00:16:45: Die Leitungskapazitäten

00:16:46: sind bei weitem ausreichend.

00:16:48: Vielleicht interessant noch am Rande:

00:16:51: Die größte Pipeline durch die Ukraine

00:16:54: heißt Bruderschaft.

00:16:58: Die hätte gereicht,

00:16:59: man hätte sie nur lassen müssen.

00:17:01: Weiterbetreiben und in Bruderschaft leben,

00:17:03: so wie diese Pipeline es eigentlich verspricht.

00:17:06: Aber Putin wollte das nicht.

00:17:07: Bist du eigentlich überrascht?

00:17:09: 2005 die Pipelines um die Ukraine,

00:17:13: 2014 die Annexion der Krim.

00:17:16: Im Nachhinein kann man sagen,

00:17:17: es war alles vorhersehbar.

00:17:18: Im Nachhinein sieht es aus,

00:17:22: als ob da durchaus ein längerfristiger,

00:17:25: strategischer, sehr lange geplanter

00:17:28: Gedankenzug dahinter liegt,

00:17:31: der nun in einen Krieg geführt hat.

00:17:35: Ich weiß nicht,

00:17:36: ob das von Anfang an angelegt war,

00:17:37: aber die Konsequenz ist das.

00:17:39: Und all diese Bausteine auf dem Weg

00:17:41: und das Ausschalten der Ukraine

00:17:43: aus dieser Energie-Situation,

00:17:47: das Umgehen der Ukraine,

00:17:48: auch das Umgehen von Polen,

00:17:50: das sind alles Elemente,

00:17:52: die durchaus jetzt für Putin

00:17:54: in diesen Krieg einzahlen.

00:17:56: Und wir haben mit den Folgen zu leben.

00:18:00: Deswegen, ja, vielleicht hatte er diesen Plan.

00:18:04: Was wir nur tun können, ist,

00:18:06: das zu stoppen und nicht weitergehen zu lassen.

00:18:09: Du weißt, die letzte Frage

00:18:10: von Freitag in der Arena

00:18:11: ist immer etwas Optimistisches,

00:18:14: immer etwas, wo ich unsere Gäste frage,

00:18:16: was man denn tun kann.

00:18:18: Du bist selber Vater, du hast Kinder.

00:18:20: Meine Frage für den Tipp am Freitag ist:

00:18:22: Wie erklärt man Kindern, was gerade passiert,

00:18:25: sodass sie nicht traumatisiert sind?

00:18:28: Tom, wenn ich das wüsste.

00:18:30: Wenn ich das wüsste.

00:18:32: Ich glaube,

00:18:33: es ist eine der schwierigsten Aufgaben,

00:18:35: Kindern so etwas Schreckliches zu erklären

00:18:38: und ich hab dafür eigentlich kein Rezept.

00:18:41: Was ich tue, ist, den Kindern zu vermitteln,

00:18:44: dass es Sicherheit gibt,

00:18:46: dass sie verlässliche Eltern haben,

00:18:48: eine verlässliche Familie

00:18:49: und dass wir im Fall der Fälle zusammenhalten

00:18:53: und dann schon einen Weg finden werden.

00:18:55: Aber etwas anderes kann ich ihnen nicht vermitteln.

00:18:57: Denn ihnen zu sagen,

00:18:58: dieser Krieg kommt nie hierher,

00:19:01: das wäre einfach nicht richtig.

00:19:03: Dieser Krieg kann hierherkommen,

00:19:04: in welcher Form auch immer.

00:19:06: Dazu muss Putin

00:19:07: gar nicht noch weiter nach Westen vorrücken.

00:19:09: Dieser Krieg kann kommen,

00:19:11: indem per Cyberattacken

00:19:13: unsere Wirtschaft lahmgelegt wird,

00:19:16: unser Leben lahmgelegt wird.

00:19:17: Und er kann kommen,

00:19:19: indem wir einfach wirklich abgeschnitten werden

00:19:22: von Infrastruktur, also Energie

00:19:24: oder andere Infrastruktur.

00:19:25: Also wir werden möglicherweise tatsächlich

00:19:28: mit diesen Dingen zu tun haben,

00:19:29: ob als physische Gewalt

00:19:30: oder als indirekte Gewalt.

00:19:32: Und das Kindern zu erklären,

00:19:34: ist nahezu unmöglich.

00:19:35: Ich glaube, das Einzige, was ich tun kann,

00:19:39: ist Sicherheit zu geben.

00:19:41: Und das geben wir.

00:19:41: Und ich erlebe unsere Kinder,

00:19:43: die sehr wachsam sind

00:19:45: und das schon verstehen, verfolgen,

00:19:48: aber die keine Angst haben.

00:19:50: Und wenn ich das erreicht habe,

00:19:52: dass alle keine Angst haben,

00:19:54: dann ist schon etwas erreicht.

00:19:56: Aber optimistisch kann ich nicht sein.

00:19:57: Ich finde,

00:19:58: das ist die bedrohlichste Situation meines Lebens.

00:20:01: Ich habe noch nie eine Situation

00:20:04: so bedrohlich empfunden wie diese.

00:20:06: Sie ist nahe, sie ist real

00:20:09: und sie kann dramatische Ausmaße annehmen

00:20:12: sollten wir Herrn Putin weiterhin unterstützen.

00:20:16: Wir sehen, dass dort

00:20:17: ein völlig skrupelloser Mensch am Werk ist,

00:20:22: der eine skrupellose, geldgierige,

00:20:24: morallose Clique um sich hat

00:20:26: und die sich eben nehmen,

00:20:28: was sie glauben sich nehmen zu können.

00:20:30: Wir müssen sie stoppen, wir werden sie stoppen.

00:20:34: Aber das wird auch dauern.

00:20:35: Das geht nicht von heute auf morgen.

00:20:38: Putin wird darüber fallen.

00:20:39: Davon bin ich überzeugt.

00:20:40: Diese Clique wird fallen.

00:20:42: Aber das kann Jahrzehnte dauern.

00:20:44: Lieber Ulrich, ich hätte mir erhofft,

00:20:46: dass du am Schluss etwas Optimistischeres

00:20:49: als dieses sehr ehrliche,

00:20:50: sehr emotionale Statement

00:20:53: in dieser Sonderausgabe von Freitag in der Arena

00:20:56: mir und unseren Zusehern, Zuseherinnen,

00:20:59: Zuhörern, Zuhörerinnen präsentierst.

00:21:01: Ich sage trotzdem:

00:21:02: Angst ist der schlechteste Ratgeber,

00:21:06: den wir haben können.

00:21:08: Und hoffe, dass doch irgendwie irgendwann

00:21:11: alles gut wird.

00:21:12: Danke, dass ihr diesmal dabei ward.

00:21:14: Und wir sehen und hören uns

00:21:15: hoffentlich bald wieder.

00:21:17: Ciao und Baba.

Über diesen Podcast

Freitag in der Arena ist jetzt "Geladen". Mit Geladen starten wir in eine neue Podcast-Ära: kürzer, knackiger und vielleicht auch mal kontroversiell. Schau vorbei unter "Geladen: Hier kommt die Zukunft zu Wort" -> überall, wo es Podcasts gibt!

von und mit oekostrom AG

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