Freitag in der Arena - der oekostrom AG-Talk

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Transkript

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00:00:10: So ein herzliches Willkommen

00:00:11: an alle Zuseherinnen und Zuseher heute.

00:00:13: Mein Name ist Oliver Schnetzer.

00:00:15: Ich bin Blogger der oekostrom AG

00:00:17: und ich freue mich sehr

00:00:18: auf meinen heutigen Gast,

00:00:20: die Clara Porak.

00:00:21: Hallo Clara.

00:00:23: Clara ist Vollblut-Journalistin.

00:00:27: Sie hat in der Vergangenheit auch schon

00:00:30: für die Süddeutsche Zeitung

00:00:31: das Magazin geschrieben,

00:00:32: für den Falter, für Stern.de, Datum.

00:00:36: Und sie hat unter anderem

00:00:38: das Projekt andererseits.work gegründet,

00:00:42: das sich für mehr

00:00:43: Inklusion im Journalismus einsetzt.

00:00:46: Unter anderem ist Clara ja auch

00:00:48: für das Netzwerk Klimajournalismus tätig,

00:00:53: wo sie Kurse für Journalisten gibt.

00:00:56: Das finde ich sehr spannend.

00:00:57: Da werden wir gleich noch

00:00:58: ein bisschen näher drauf eingehen.

00:00:59: Du bist aber nicht nur Journalistin,

00:01:01: sondern du bist auch Aktivistin.

00:01:02: Du bist unter anderem auch bei Fridays for Future

00:01:05: und Extinction Rebellion aktiv,

00:01:07: aktiv gewesen, nach wie vor aktiv.

00:01:11: Wo wir heute darüber sprechen möchten,

00:01:13: ist das Thema Aktivismus und Journalismus.

00:01:16: Da gibt es seit zwei, drei Jahren

00:01:18: vor allem eine relativ heiße Debatte

00:01:20: unter Journalist:innen,

00:01:21: de facto was Journalismus können muss,

00:01:25: also im Kontext der Klimakrise,

00:01:28: was er tun sollte, muss und was er darf

00:01:30: und nicht darf auch.

00:01:32: Also gerade beim Aktivismus ist dann die Debatte:

00:01:34: Wie neutral beispielsweise muss Journalismus sein?

00:01:37: Und da komme ich auch de facto schon wieder

00:01:40: zurück zum Netzwerk Klimajournalismus.

00:01:42: Weil in Deutschland beispielsweise

00:01:44: es genau für solche Debatten gegründet worden.

00:01:46: Da weiß ich, dass es eben

00:01:48: den Journalist:innen darum ging,

00:01:50: sich eben genau zu solchen Themen

00:01:52: und zum Thema Klimajournalismus auszutauschen.

00:01:55: Vielleicht kannst du uns zu Beginn ja

00:01:56: einfach kurz erzählen,

00:01:58: was beim Netzwerk Klimajournalismus

00:02:02: in Österreich so passiert, um was es da geht.

00:02:05: Also das Netzwerk sind ganz klar

00:02:09: explizit keine Aktivistinnen,

00:02:11: sondern es ist eine Gruppe für Journalist:innen.

00:02:13: Und ich sehe mich da auch ganz stark

00:02:14: in meiner Rolle als Journalistin

00:02:15: und nicht als Aktivistin.

00:02:17: Aber das was wir dort eigentlich

00:02:19: zuerst mal gewährleisten wollen,

00:02:20: ist einfach nur ein Austausch für Journalistinnen,

00:02:23: der über Ressorts und auch über Medien hinweggeht.

00:02:25: Wir glauben einfach,

00:02:26: dass die Klimakrise und die Klima-Berichterstattung

00:02:28: eine oder vielleicht die größte Herausforderung

00:02:31: für Journalismus im 21. Jahrhundert sind

00:02:33: und dass die einfach einen Raum braucht,

00:02:36: diskutiert und besprochen zu werden.

00:02:40: Und dieser Raum wollen wir sein.

00:02:42: Und letztlich ist das Ziel natürlich schon,

00:02:44: den Austausch über Klimajournalismus zu fördern

00:02:47: und Klima-Berichterstattung,

00:02:48: aber natürlich auch sie zu verbessern.

00:02:50: Und was verbessern bedeutet,

00:02:52: das kann ich schon individuell sagen,

00:02:55: was meine Vorstellung ist.

00:02:56: Aber da sind wir gerade dabei,

00:02:58: das ein bisschen auszuverhandeln und zu schauen,

00:03:00: was bräuchte es denn eigentlich,

00:03:01: wo soll der Klimajournalismus hin?

00:03:02: Weil dazu gibt es ganz wenige Daten

00:03:04: und auch finde ich zu wenige Überlegungen.

00:03:07: Also man spricht immer eher davon,

00:03:10: dass es Klimajournalismus braucht,

00:03:12: aber da ist ja ganz stark die Frage,

00:03:14: welchen und was muss der können

00:03:16: oder was soll der auf keinen Fall machen?

00:03:17: Und in diesen Debatten sind wir ganz stark.

00:03:20: Dass heißt wir machen einmal im Monat

00:03:22: einen Stammtisch, der leider wegen Corona

00:03:25: vor allem online stattfindet.

00:03:26: Wir hoffen, dass sich das ändert

00:03:28: und er öfter offline ist.

00:03:29: Und bei diesem Stammtisch

00:03:32: vernetzen wir einfach Journalist:innen

00:03:34: aus unterschiedlichen Ressorts auch.

00:03:35: Viele kommen zu uns, die nicht so oft

00:03:37: über Klima berichtet haben bisher.

00:03:39: Das freut uns immer besonders.

00:03:40: Und sagen: Ja, ich will mich irgendwie

00:03:41: mal austauschen, wie ich das öfter schaffen kann.

00:03:43: Und wir geben Kurse

00:03:45: in Kooperation mit dem fjum und dem KfJ.

00:03:48: Das sind zwei Fortbildungsvereine

00:03:50: für Journalist:innen

00:03:51: und organisieren regelmäßig Podiumsdiskussionen.

00:03:53: Du bist jetzt ja quasi mittendrin.

00:03:56: Hast du das Gefühl,

00:03:58: weil das Netzwerk noch relativ jung noch ist,

00:03:59: dass es da einen großen Bedarf gibt?

00:04:02: Also ist es im Wachsen?

00:04:03: oder wie ist da dein Eindruck?

00:04:07: Ja, also

00:04:08: wenn man nur im Journalismus unterwegs ist,

00:04:10: oder ich würde sagen

00:04:11: im Klima- und Umweltjournalismus,

00:04:13: wird man gerade schnell sehr optimistisch,

00:04:15: weil ganz viele Menschen beginnen,

00:04:18: zumindest ein Stück weiter die Notwendigkeit für

00:04:21: gute Klima-Berichterstattung

00:04:22: oder irgendwelche Klima-Berichterstattung

00:04:24: zu sehen.

00:04:25: Also man hat gesehen, dass sich im letzten Jahr

00:04:26: viele Ressorts gegründet haben.

00:04:27: Zum Beispiel auch die heute

00:04:29: hat ein eigenes Klima Ressort,

00:04:30: also auch der Boulevard,

00:04:31: aber auch der Falter hat ja sein Natur Ressort,

00:04:34: das ist jetzt auch noch nicht

00:04:35: besonders lange her, dass es das gibt.

00:04:36: Und in Deutschland DieZeit

00:04:38: hat ein eigenes Umwelt und Klima Ressort gegründet

00:04:41: und auch andere Medien haben

00:04:43: die Berichterstattung deutlich hochgefahren.

00:04:45: Das heißt, da tut sich schon einiges.

00:04:48: Und es gibt vor allem auch viele Journalist:innen,

00:04:52: die sich mehr mit dem Thema auseinandersetzen.

00:04:55: Wie siehst du denn jetzt

00:04:57: die Rolle der Medien im Kontext

00:04:59: von Klimaschutz, Klimakrise?

00:05:00: Ich meine, du hast den Austausch

00:05:02: ja aktuell mit vielen Journalist:innen

00:05:04: aus verschiedenen Medienhäusern, Ressorts.

00:05:07: Was ist dein Eindruck

00:05:10: und auch deine Forderung ein bisschen,

00:05:12: was beim Klimajournalismus

00:05:13: vielleicht passieren sollte, was es braucht.

00:05:17: Ja, ich glaub Journalismus, das ist ja nicht neu,

00:05:21: hat die Aufgabe, einerseits

00:05:23: diese klassischen W-Fragen zu stellen,

00:05:25: also wer, was, wie, wo, wann, warum.

00:05:27: Aber ich finde, das ist am allerwichtigsten,

00:05:30: noch zwei zusätzliche Fragen,

00:05:32: die so nicht immer mitgedacht werden,

00:05:34: nämlich die Frage: Wer ist verantwortlich?

00:05:36: Also: Wer ist schuld an etwas?

00:05:39: Oder: Warum passiert etwas?

00:05:41: Und: Wie geht es weiter?

00:05:43: Und ich glaube, diese Fragen zu stellen

00:05:46: und zu beantworten, das ist die Aufgabe

00:05:49: von Journalisten und Journalistinnen

00:05:52: in der Klimakrise.

00:05:53: Also es geht darum, Informationen bereitzustellen

00:05:55: und irgendwie einzuordnen.

00:05:56: Aber halt auch diese Kontrollfunktion

00:05:59: im Sinne von vierte Macht

00:06:02: in einer Demokratie zu haben,

00:06:04: also zu kontrollieren, ob Politikerinnen

00:06:05: und Politiker und Unternehmen

00:06:09: Blödsinn machen sozusagen

00:06:11: oder Demokratie schädliche Dinge machen

00:06:13: oder gesetzeswidrige Dinge machen.

00:06:15: Und dann natürlich auch, und das finde ich

00:06:17: gerade in der Klimakrise super wichtig,

00:06:18: zu fragen: Wie geht es jetzt weiter?

00:06:20: Wenn wir uns darauf einigen,

00:06:21: dass wir gerade in einer

00:06:22: riesigen globalen Krise stecken,

00:06:23: auf einen Kipppunkt zusteuern

00:06:25: und wirklich was ändern müssen,

00:06:26: dann stellen sich total viele spannende Fragen,

00:06:28: über die wir diskutieren könnten.

00:06:30: Nämlich zum Beispiel: Wie ändern wir das?

00:06:31: Ich habe jetzt gerade einen Text

00:06:33: über Amsterdam recherchiert, die versuchen,

00:06:34: dieses Donut Economy Modell umzusetzen.

00:06:37: Und das, finde ich,

00:06:38: ist eine total relevante Fragestellung:

00:06:39: Wie schafft man das als Stadt?

00:06:41: Wien hat jetzt irgendwie gesagt,

00:06:43: wir wollen klimaneutral sein,

00:06:44: so wie Österreich auch.

00:06:45: Wir wollen eine Klima-Musterstadt werden

00:06:47: und baut trotzdem die Lobau-Autobahn.

00:06:49: Ist das okay? geht das zusammen?

00:06:50: Das sind ja alles Dinge,

00:06:52: die noch nicht ausdiskutiert sind.

00:06:53: Und das sind ja auch die Fragen,

00:06:54: die unsere Gesellschaft

00:06:55: im 21. Jahrhundert prägen sollten und werden.

00:06:58: Wie gehen wir mit dieser Krise um?

00:07:00: Aber die Frage: Gehen wir mit dieser Krise um?

00:07:03: Die sollte Journalismus

00:07:04: halt nicht mehr stellen müssen.

00:07:05: Und da sind wir leider immer noch ein bisschen,

00:07:07: dass er die stellen muss.

00:07:12: Jetzt gelten ja vor allem auch drei Punkte:

00:07:15: Neutralität, Objektivität und Unparteilichkeit

00:07:18: als historische oder auch

00:07:21: natürlich aktuelle Eckpfeiler von Journalismus.

00:07:25: Wie lassen sich diese Ideale

00:07:27: letztendlich mit Aktivismus

00:07:28: dann deiner Meinung nach vereinbaren?

00:07:30: Wie neutral muss ein Journalist dann auch sein?

00:07:35: Also vorab finde ich das eine schwierige

00:07:39: und berechtigte Diskussion

00:07:40: und ich finde die Rolle, die ich habe,

00:07:41: also irgendwie beides zu sein und zu machen,

00:07:44: sehr schwierig.

00:07:45: Ich glaube aber, dass sie eine Berechtigung hat.

00:07:47: Und zuerst einmal glaube ich,

00:07:51: dass es einen Unterschied

00:07:52: zwischen Rollen und Überzeugungen gibt.

00:07:55: Und dass ich eine Überzeugung habe.

00:07:58: Also es wird ja wohl jeder irgendwie einsehen,

00:08:01: dass Menschen Überzeugungen haben und dass man...

00:08:03: Also ich glaube, dieses Wort Objektivität

00:08:05: ist natürlich ein wichtiges Ideal,

00:08:08: aber das ist auch sehr, sehr schädlich, weil -

00:08:10: und dazu sage ich vielleicht

00:08:12: später noch mal kurz was -

00:08:13: das setzt ja eine abgetrennte,

00:08:17: betrachtende Position voraus.

00:08:18: Und im Prinzip bedeutet Objektivität

00:08:20: sehr, sehr oft leider immer noch die Perspektive

00:08:23: eines weißen, privilegierten Mannes.

00:08:25: Und das ist halt einfach

00:08:26: nicht dasselbe wie Neutralität.

00:08:28: Also ich habe das Gefühl,

00:08:29: oft wird Objektivität und Neutralität verwendet,

00:08:32: um die eigene Subjektivität

00:08:33: nicht reflektieren zu müssen.

00:08:35: Und da ist es halt etwas,

00:08:36: dass sich der Journalismus auf keinen Fall

00:08:38: erlauben kann.

00:08:39: Das heißt, dass ich die Überzeugung habe,

00:08:40: dass ich gerne in einer Zukunft leben möchte,

00:08:42: in der ein Großteil der Erde unbewohnbar ist.

00:08:44: Und dass ich für die Demokratie,

00:08:46: Menschenrechte und die Gerechtigkeit

00:08:48: irgendwie mit meinem Leben,

00:08:51: mit meinem Körper einstehen möchte.

00:08:52: Das ist ja, es ist ja okay.

00:08:54: Und ich glaube, diese Überzeugung

00:08:56: teilen auch die allermeisten Journalist:innen.

00:08:58: Also man wird nicht Journalist:in,

00:08:59: weil man Demokratie blöd findet.

00:09:01: Dann gibt es aber noch die Frage der Rolle.

00:09:03: Also was soll Journalismus machen

00:09:07: und was soll Aktivismus machen? U

00:09:09: Und vorher habe ich ja gesagt,

00:09:11: Journalismus soll vor allem diese Fragen

00:09:12: stellen und beantworten.

00:09:13: Und Aktivismus,

00:09:14: der soll schon was anderes machen,

00:09:16: der soll nicht informieren,

00:09:17: sondern eher provozieren.

00:09:18: Manchmal zumindest.

00:09:19: Der soll irgendwie ein bisschen vorausgehen

00:09:22: und Menschen einladen mitzukommen.

00:09:25: Aber Journalismus, der sollte quasi

00:09:26: auch hinten stehen und alle mitnehmen,

00:09:28: die vielleicht noch nicht losgehen.

00:09:30: Also das sind schon zwei

00:09:31: sehr, sehr unterschiedliche Rollen.

00:09:33: Und ich glaube, die gilt es auch klar zu trennen.

00:09:35: Und ich glaube nicht, dass es so etwas wie...

00:09:39: Mir wird sehr oft gesagt:

00:09:40: Wie aktivistisch darf Journalismus sein?

00:09:42: Ich glaube nicht,

00:09:43: dass es aktivistischen Journalismus gibt,

00:09:45: sondern dass es undifferenzierten,

00:09:46: einen schlechten Journalismus gibt.

00:09:47: Und ich mache sicher manchmal

00:09:49: nicht so differenzierten Journalismus,

00:09:51: wie ich gerne machen würde.

00:09:52: Also es passiert mir sicher mal.

00:09:53: aber grundsätzlich glaube ich,

00:09:55: dass ich differenziert und ergebnisoffen

00:09:58: in meine Recherchen reingeh.

00:09:59: Und natürlich mit gewissen Grundannahmen,

00:10:03: die aber jeder hat.

00:10:05: Aber ich glaube schon,

00:10:06: dass sich diese Rollen klar trennen lassen.

00:10:08: Und ich glaube, dass jeder diese Einschränkungen,

00:10:11: die auch ich spüre, hat.

00:10:12: Also dass es immer Dinge gibt,

00:10:15: wo es einem schwerer fällt,

00:10:17: da abgegrenzt da drauf zu blicken.

00:10:20: Also viel schlimmer als beim Klima

00:10:23: ist es bei Themen, die mich persönlich berühren.

00:10:26: Keine Ahnung, die was

00:10:27: mit meiner Familie zu tun haben

00:10:28: oder mit meinem eigenen Leben.

00:10:30: Da blicke ich natürlich nicht objektiv drauf.

00:10:33: Und ich glaube, dieser nicht objektive Blick

00:10:35: hat irgendwo auch eine Berechtigung.

00:10:37: Aber vor allem geht es darum,

00:10:38: die eigene Subjektivität zu reflektieren.

00:10:40: Und ich glaube, das müssten wir Journalist:innen

00:10:42: viel mehr machen, dass wir offenlegen,

00:10:44: wer wir sind und warum wir denken,

00:10:45: wie wir denken.

00:10:46: Das heißt jetzt nicht,

00:10:47: dass jeder Text eine Ich-Erzählung sein sollte,

00:10:49: ganz im Gegenteil.

00:10:50: Aber das heißt, dass wir mehr

00:10:52: Aushandlungsprozesse in Redaktionen brauchen.

00:10:55: Was ist ein relevantes Thema

00:10:56: und wie kann man

00:10:57: über ein relevantes Thema berichten.

00:10:58: Und was sind irgendwie...

00:11:00: Also weil ich glaube,

00:11:02: dass die Themenfindung objektiv ist,

00:11:04: das glaube ich nicht.

00:11:05: Ich glaube, dass man

00:11:07: ergebnisoffen recherchieren kann,

00:11:08: dass man alle Seiten anhören kann und sollte

00:11:10: und etwas sozusagen neutral darstellen kann,

00:11:14: indem man es möglichst divers darstellt.

00:11:16: Aber dass manche Themen mir relevanter erscheinen

00:11:20: als irgendeinem Kollegen

00:11:22: oder einer Kollegin von mir,

00:11:23: ja, das glaube ich nicht.

00:11:28: Ich möchte da auf eine Studie

00:11:30: vom Gallup Institut ganz kurz eingehen.

00:11:31: ist im September letzten Jahres rausgekommen.

00:11:34: Die hat zum einen gezeigt,

00:11:35: dass 70 % der Menschen ein sehr großes

00:11:39: bis großes Interesse an den Themen

00:11:41: Klima und Umwelt haben.

00:11:42: Aber die Studie hat auch ein bisschen gezeigt,

00:11:44: dass man sich mehr Sachlichkeit

00:11:47: in der Debatte wünscht,

00:11:48: in der medialen Debatte wünscht.

00:11:50: Da gibt es ein Zitat

00:11:51: von der Geschäftsführerin vom Gallup Institute,

00:11:53: Frau Fronaschütz: Im Moment werden die Risiken

00:11:57: aus Sicht verschiedener Bevölkerungsschichten

00:11:59: in der Berichterstattung übertrieben

00:12:01: oder heruntergespielt.

00:12:03: Fand ich sehr spannend.

00:12:04: Hast du das Gefühl, dass es da

00:12:07: so ein bisschen eben auch eine Spaltung

00:12:09: dann letztendlich bei den Leserinnen und Lesern

00:12:12: oder bei den Konsument:innen gibt?

00:12:15: Du sagst, die einen sehen es eher übertrieben,

00:12:17: die anderen sehen es runtergespielt?

00:12:19: Und falls du es so siehst,

00:12:21: worauf ist es deiner Meinung nach

00:12:23: auch zurückzuführen?

00:12:25: Also ich finde es ganz super,

00:12:27: dass wir mit der Gallup Institut Studie

00:12:29: endlich Daten zur Berichterstattung

00:12:31: in Österreich haben,

00:12:33: weil es davor sehr, sehr wenige gab.

00:12:35: Aber ich würde gleichzeitig auch sagen,

00:12:37: dass das jetzt natürlich nicht bedeutet,

00:12:39: alle Österreicherinnen und Österreicher

00:12:40: sehen das entweder so oder so.

00:12:42: das ist jetzt auch nur eine kurze Relativierung.

00:12:45: Aber grundsätzlich ja, habe ich das Gefühl,

00:12:47: wir diskutieren immer noch darüber,

00:12:49: ob wir auf diese Krise reagieren sollten.

00:12:51: Also wir stellen uns immer noch die Frage:

00:12:53: Sollen wir angemessen reagieren,

00:12:55: anstatt darüber zu diskutieren,

00:12:57: was wir machen sollten?

00:12:58: Und dann überrascht es mich eigentlich nicht,

00:13:02: dass es da scheinbar so zwei Lager gibt,

00:13:04: die das Problem entweder

00:13:06: als sehr, sehr groß empfinden

00:13:08: und da auch irgendwie einen unfairen Druck

00:13:10: auf die Berichterstattung setzen und sagen,

00:13:14: die sollten Panik machen.

00:13:18: Oder dass es als übertrieben wahrgenommen wird.

00:13:20: Weil wir eben in der Diskussion

00:13:23: bei weitem nicht da sind,

00:13:25: wo die Wissenschaft sagt, dass wir sind.

00:13:29: Es gibt ja einen ganz, ganz großen Konsens,

00:13:31: was viele klimatische Phänomene betrifft.

00:13:35: Und natürlich, was die Modellierungen betrifft,

00:13:37: gibt es irgendwie auch Dissens

00:13:39: in der Wissenschaft.

00:13:40: Aber es gibt ja ganz großen Konsens,

00:13:41: was das Ausmaß der Krise

00:13:42: und die Gründe der Krise betrifft.

00:13:44: Wir diskutieren aber immer noch darüber.

00:13:48: Ja, ich glaube, inhaltlich

00:13:49: sind wir uns da sehr einig natürlich

00:13:52: mit dem wissenschaftlichen Konsens,

00:13:54: dass man anders reagieren müsste.

00:13:56: Nur um noch mal darauf einzugehen:

00:13:58: der stellvertretende Chefredakteur

00:14:01: von der Kleinen Zeitung, Michael Jungwirth,

00:14:03: spricht auch von dieser Polarisierung

00:14:05: beim Klimathema.

00:14:08: Was ich mich frage...

00:14:09: Wir sind da ja wieder

00:14:11: beim Thema Aktivismus letztendlich.

00:14:14: Man hat auch in der Vergangenheit gehört,

00:14:16: dass eben, wenn man sich

00:14:18: als Journalist, Journalistin zu sehr

00:14:20: ins aktivistische Eck setzt,

00:14:23: dass man eben bei der anderen Hälfte,

00:14:25: die es vielleicht als übertrieben sehen,

00:14:26: vielleicht auch ein bisschen

00:14:28: an Glaubwürdigkeit verliert.

00:14:29: Meine Frage ist eben, ob es aus deiner Sicht

00:14:33: da auch berechtigte Kritik gibt

00:14:34: an Aktivismus von Journalisten.

00:14:36: Dass man eben diese Spaltung,

00:14:38: das Ergebnis letztendlich,

00:14:39: die auch die Gallup Studie da gezeigt hat,

00:14:41: ob das vielleicht ein bisschen forciert wird,

00:14:44: dass man, wenn man aktivistisch schreibt,

00:14:47: wie du sagst, mit Grundannahmen:

00:14:48: Hey Leute, Wissenschaft

00:14:49: und wir müssen jetzt sofort reagieren!,

00:14:51: dass das viel zu extrem ist, die dann eher sagen:

00:14:53: okay, das ist die Öko-Journalistin.

00:14:57: Und deswegen wünschen sie sich vielleicht

00:14:59: ausgeglichener Berichterstattung

00:15:01: oder sachlichere Berichterstattung.

00:15:03: Oder wie stehst du zu dieser,

00:15:05: ich nenne es mal Kritik.

00:15:08: Das Absurde ist ja,

00:15:09: dass sachliche Berichterstattung

00:15:10: als unsachlich wahrgenommen wird.

00:15:12: Das ist ja das Grundproblem, dass quasi das,

00:15:16: was guter Wissenschaftsjournalismus,

00:15:18: der faktenorientiert ist,

00:15:19: jetzt gerade machen müsste, ist,

00:15:21: ganz klar die Fakten für sich sprechen lassen

00:15:26: und aufzeigen in was für einer...

00:15:29: Da geht es auch einfach ganz viel um Platz

00:15:31: und Ausmaß der Berichterstattung

00:15:33: und um Berichterstattung,

00:15:34: die die Dringlichkeit vermittelt.

00:15:36: Erst einmal würde ich nicht sagen,

00:15:38: dass es unsachlich wäre,

00:15:39: auf die Dringlichkeit der Krise hinzuweisen.

00:15:41: Weil die Dringlichkeit der Krise

00:15:43: ja extrem sachlich ist.

00:15:44: Das ist, glaube ich, ein grundsätzliches Problem

00:15:46: oder eine grundsätzliche Spannung in der Klimakrise,

00:15:49: dass uns einfach die Zeit so massiv ausgeht

00:15:52: wie bei fast nichts anderem

00:15:53: außer der Biodiversitätskrise,

00:15:54: die ja damit zusammenhängt.

00:15:56: Wo es einfach Kipp-Punkte gibt,

00:15:57: die wir sehr, sehr bald erreichen.

00:15:59: Und ein Kipppunkt bedeutet,

00:16:00: dass man das nicht mehr rückgängig machen kann,

00:16:02: was man ausgelöst hat.

00:16:03: Dass wir in dieses relativ stabile Weltklima,

00:16:07: in dem wir immer noch sind,

00:16:08: nicht mehr zurückkönnen.

00:16:09: Und das ist ein ganz sachliches Problem,

00:16:12: das wir haben.

00:16:13: Gleichzeitig kann ich natürlich nachvollziehen,

00:16:16: dass es Menschen gibt,

00:16:17: die eine extreme Abwehrhaltung gegenüber

00:16:21: genau diesen Fakten einnehmen.

00:16:23: Und ich glaube, dass auch in der Diskussion

00:16:24: die wir als Journalistinnen und Journalisten

00:16:26: noch viel mehr führen müssen:

00:16:28: wie holen wir die ab,

00:16:29: ohne herunterzuspielen, was die Faktenlage ist?

00:16:33: Weil die Faktenlage ist drastisch.

00:16:35: Und ich glaube, dass man Leserinnen und Lesern

00:16:37: das zumuten kann.

00:16:38: Und es gibt es ja auch...

00:16:39: Es gibt diese Aufstellung Six Americas,

00:16:42: die auch die New York Times ganz viel verwendet.

00:16:44: Und da sind wir bei einer

00:16:46: immer kleiner werdenden Menge

00:16:47: an Amerikanerinnen und Amerikaner,

00:16:49: die ganz dismissive sind,

00:16:52: die den Klimawandel tatsächlich leugnen

00:16:55: oder sich gar nicht damit auseinandersetzen wollen.

00:16:57: Und bei einer ganz großen Mehrheit von 70 %,

00:17:00: die entweder cautious, concerned oder alarmed sind,

00:17:04: also diese Krise

00:17:05: zumindest in Ansätzen verstanden haben.

00:17:07: Das heißt ja, es gibt die Menschen,

00:17:10: die immer noch auf Fakten so reagieren,

00:17:14: als wären sie ganz absurde Meinungen.

00:17:16: Und wir müssen darüber sprechen:

00:17:19: Wie können wir diese Leute...

00:17:20: Also ich persönlich sehe meine Rolle so,

00:17:21: dass ich wahrscheinlich nicht diejenige bin,

00:17:24: die die zumindest immer am besten erreichen kann,

00:17:27: sondern es ist eine andere.

00:17:29: Ich glaube zum Beispiel,

00:17:30: dass der Generation 60 plus

00:17:31: voll die Helden fehlen.

00:17:32: Ich wünsche mir eine Boomer for Future Bewegung,

00:17:35: wo irgendwie aufgezeigt wird,

00:17:37: dass auch diese Generation

00:17:38: das jetzt nicht versaut hat,

00:17:39: sondern voll viel zum Wandel beiträgt

00:17:42: und beitragen kann.

00:17:43: Ich glaube schon, dass es diese Gefahr gibt,

00:17:49: Menschen zurückzulassen.

00:17:50: Aber ich habe auch das Gefühl,

00:17:51: dass über eine sehr kleine Anzahl an Menschen

00:17:53: sehr, sehr viel gesprochen wird.

00:17:56: Und wir da schon Wege finden,

00:17:59: wenn wir uns mal die Zeit nehmen,

00:18:00: darüber nachzudenken.

00:18:01: Ich habe das Gefühl,

00:18:02: es wird viel mehr darüber gesprochen,

00:18:03: dass diese Gefahr besteht,

00:18:05: als darüber gesprochen wird,

00:18:06: wie man dieser Gefahr irgendwie entgegenwirkt.

00:18:09: Wäre das auch dein Tipp

00:18:11: in der journalistischen Arbeit?

00:18:13: Mir geht es auch darum:

00:18:14: Wie schaffen wir genau diesen Spagat,

00:18:16: wie du sagst, zwischen diesen

00:18:17: überwältigenden wissenschaftlichen Fakten

00:18:19: und den drohenden Szenarien hin zu:

00:18:22: Wie erreiche ich in Tirol

00:18:24: aus dem dritten Tal von links

00:18:26: quasi die zweifache Mutter,

00:18:27: die alleinerziehend vielleicht auch noch ist.

00:18:29: Wie kann man im Journalismus diesen Gap

00:18:32: ein bisschen schließen, deiner Meinung nach,

00:18:35: dass man auch diese Leute erreicht?

00:18:37: Ich glaube, es gibt nicht den Journalismus

00:18:38: und es gibt nicht den Weg.

00:18:40: Man sollte immer sehr, sehr misstrauisch sein,

00:18:42: wenn Leute einfache Lösungen

00:18:43: auf komplexe Krisen und Probleme anwenden wollen.

00:18:47: Deshalb glaube ich, dass da

00:18:49: die Expertinnen und Experten diejenigen sind,

00:18:51: die am nähesten dran sind.

00:18:52: Also zum Beispiel lokale Journalist:innen

00:18:54: sind sicher sehr, sehr gut darin,

00:18:56: für ihre Leser:innen Dinge zugänglich zu machen.

00:18:58: Viel besser als ich es jetzt bin,

00:18:59: die vor allem für überregionale Magazine

00:19:02: mit relativ eingeschränkter Zielgruppe schreibt.

00:19:05: Also ich glaube, es ist auch

00:19:06: eine Frage der Zielgruppe.

00:19:07: Aber etwas, das zum Beispiel

00:19:09: sehr, sehr gut funktioniert,

00:19:10: da gibt es ja auch ganz viele Studien dazu,

00:19:11: ist konstruktiver Journalismus,

00:19:13: der differenziert Lösungen aufzeigt

00:19:15: oder auch quasi Klima-Themen und -Lösungen

00:19:20: an Stellen zu suchen,

00:19:21: wo sie Leute nicht vermuten.

00:19:22: Zum Beispiel bei Fußball.

00:19:25: Oder bei ich weiß nicht...

00:19:28: Für manche ist sicher auch

00:19:29: Journalismus über Innovation ein wichtiger Hebel,

00:19:33: der das irgendwie möglich macht,

00:19:35: sich mit dem Thema

00:19:36: ohne zu viel Angst auseinanderzusetzen.

00:19:39: Ich glaube, dass wir da nicht

00:19:40: die eine Lösung finden werden.

00:19:41: Und ich glaube aber, dass es

00:19:43: ganz, ganz viele tolle Möglichkeiten gibt,

00:19:45: Klima zu erzählen.

00:19:47: Und dass wir da eben, ja,

00:19:50: einfach noch mehr einen Fokus drauf legen müssen,

00:19:53: auch mit unseren Leserinnen und Lesern

00:19:55: oder Zuhörerinnen oder Zusehern

00:19:57: ins Gespräch zu kommen.

00:19:58: Aber darüber hinaus braucht es ganz sicher

00:20:00: einen Schulterschluss, der irgendwie klar macht:

00:20:04: Okay, das ist jetzt eine Krise

00:20:05: von einem historischen Ausmaß.

00:20:08: Und wir müssen jetzt ganz schnell

00:20:10: ein Bewusstsein in der Bevölkerung schaffen.

00:20:11: Und ich weiß nicht, Wolfgang Blau,

00:20:13: der ja auch zu dem Thema forscht,

00:20:15: der ist eigentlich eher Medienmanager

00:20:16: und setzt sich jetzt ganz viel

00:20:18: mit Klima-Berichterstattung auseinander.

00:20:19: Der sagt, dass man da auch

00:20:21: ganz viele Institutionen der Gesellschaft

00:20:23: mit einbeziehen sollte.

00:20:25: Also zum Beispiel Fußballclubs

00:20:26: eine Kampagne mitgestalten:

00:20:28: das ist Klima und deshalb ist es ja ein Problem.

00:20:31: Und dass der öffentlich rechtliche Rundfunk

00:20:32: da auch mit solchen anderen Akteuren

00:20:35: zusammenarbeiten könnte,

00:20:37: um so eine Art Informationskampagne zu fahren.

00:20:39: Weil wir das einfach brauchen werden.

00:20:40: Jetzt, in den nächsten zehn Jahren,

00:20:42: in den 2020ern, wird sich entscheiden,

00:20:44: in was für einer Welt wir

00:20:46: die nächsten paar 1000 Jahre leben.

00:20:48: Und das ist schon eine riesige

00:20:50: gesellschaftliche Aufgabe,

00:20:51: der wir auch als gesamte Gesellschaft

00:20:54: begegnen müssen.

00:20:56: Und das können nicht

00:20:57: einzelne Leute irgendwie schaffen.

00:20:58: Und ja, wir haben sicher

00:21:00: auch noch nicht alle Antworten.

00:21:02: Ich möchte auch mit einem Zitat ganz kurz,

00:21:05: weil du gerade den Wolfgang Blau erwähnt hast,

00:21:07: jetzt meine nächste Frage formulieren.

00:21:09: Und zwar hat der langjähriger ZDF Moderator

00:21:12: Claus Kleber neulich in einem Interview

00:21:15: mit Deutschlandfunk gesagt:

00:21:16: Journalismus darf nicht ins Erzieherische rutschen.

00:21:19: Es ist kein Volkserzieher,

00:21:21: sondern ein Informationsauftrag,

00:21:24: den der Journalismus de facto hat.

00:21:28: Würdest du da zustimmen oder wie siehst du das?

00:21:33: Ja, ich glaube auch,

00:21:34: dass das Volk nicht erzogen werden muss.

00:21:36: Das ist mein Menschenbild.

00:21:37: Also ich glaube nicht, dass...

00:21:39: Ich glaube, dass Menschen

00:21:41: zugängliche Informationen brauchen.

00:21:43: Und ich glaube, dass wir auf jeden Fall

00:21:45: ein Problem damit haben,

00:21:46: wen wir erreichen und wen nicht

00:21:47: und wie wir die Menschen erreichen.

00:21:48: Also dass Menschen mit Migrationshintergrund,

00:21:51: Menschen mit Behinderungen,

00:21:52: Menschen, die Probleme haben zu verstehen,

00:21:55: wie viele Medien schreiben oder sprechen.

00:21:58: Das meine ich jetzt auch über sozusagen,

00:22:00: ich weiß nicht Probleme mit,

00:22:02: dass es nicht die eigene Muttersprache ist, hinweg.

00:22:04: Dass einfach Journalismus,

00:22:07: für viele Menschen unverständlich ist.

00:22:09: Das ist sicher ein riesiges Problem.

00:22:10: Deshalb setze ich mich ja auch

00:22:12: mit Andererseits für mehr Diversität ein,

00:22:15: weil ich einfach glaube,

00:22:16: wir brauchen möglichst diverse Perspektiven,

00:22:18: um diesem Problem möglichst gut gerecht zu werden.

00:22:21: Und darüber hinaus haben wir natürlich auch

00:22:23: das Problem, dass Journalismus vor allem

00:22:25: auf sozialen Netzwerken stattfindet

00:22:27: oder auf Plattformen, die eigentlich

00:22:29: einem kapitalistischen Interesse unterworfen sind.

00:22:32: Und wo es jetzt nicht darum geht,

00:22:33: dass Menschen möglichst gut Informationen finden,

00:22:35: sondern wo es darum geht,

00:22:37: dass Menschen möglichst gut auf Plattformen

00:22:39: möglichst lange dort bleiben.

00:22:40: Also das sind auf jeden Fall die Orte,

00:22:44: auf denen unser Diskurs stattfindet

00:22:45: und immer mehr stattfinden wird.

00:22:48: Und die sind nicht unbedingt geeignet dafür.

00:22:50: Ich glaube, das ist neben der Klimakrise

00:22:52: wahrscheinlich die zweite riesige Herausforderung,

00:22:54: die der Journalismus im 21. Jahrhundert hat,

00:22:56: dass man irgendwie damit umgehen lernen muss.

00:22:59: Das ist sicher ein großes Problem.

00:23:02: Aber darüber hinaus würde ich absolut zustimmen,

00:23:04: dass man das Volk nicht erziehen muss,

00:23:07: sondern einfach informieren.

00:23:09: Und ich glaube, was man aber schon machen muss

00:23:12: als Journalistin oder Journalist ist,

00:23:14: die Mächtigen in die Schranken weisen.

00:23:17: Also man muss halt zugeben,

00:23:19: dass unser Wirtschaftssystem

00:23:21: vor allem Zerstörung macht gerade.

00:23:23: Also dort wo Geld ist, sind auch CO2 Emissionen

00:23:25: und CO2 Emissionen zerstören nun mal

00:23:28: einfach gerade unsere Welt.

00:23:29: Oder es gibt ja auch andere Gase,

00:23:31: CO2 äquivalente Gase sagt man da.

00:23:33: Und das ist einfach nicht okay.

00:23:37: Also da kann mir niemand sagen,

00:23:38: dass das okay ist.

00:23:39: Das ist kein Aktivismus,

00:23:40: das nicht okay zu finden.

00:23:42: Das ist Basic Human Decency.

00:23:44: Genauso wie wir nicht darüber verhandeln,

00:23:46: ob es okay ist,

00:23:47: wenn ein Staat Menschenrechte bricht,

00:23:48: sondern als Journalist:innen ganz klar sagen:

00:23:50: das hier ist eine Menschenrechtsverletzung.

00:23:53: Und das ist, glaube ich, schon

00:23:55: die Aufgabe des Journalismus.

00:23:56: Also auch mehr investigativ zu arbeiten,

00:23:58: wenn es um Klima geht.

00:24:00: Und einfach zugänglich zu machen,

00:24:01: was sind da eigentlich die Dinge,

00:24:03: die falsch laufen?

00:24:05: Und es ist nämlich nicht,

00:24:06: dass die Leute zu viel fliegen und Fleisch essen.

00:24:08: Das ist natürlich auch ein großes Problem,

00:24:09: aber es gibt da ja auch

00:24:12: richtige Desinformationskampagnen

00:24:14: der fossilen Energielobby.

00:24:16: Zum Beispiel hat OMV

00:24:18: den ökologischen Fußabdruck erfunden,

00:24:20: damit sich Konsumenten schuldig fühlen,

00:24:22: wenn sie CO2 Emissionen produzieren.

00:24:24: In Wirklichkeit produzieren 100 Unternehmen

00:24:28: 70 % der CO2 Emissionen.

00:24:31: Kann ich da kurz einhaken?

00:24:32: Ja, sehr gerne.

00:24:34: Das ist doch das Problem.

00:24:36: Ja, weil du gerade bei der OMV warst.

00:24:39: Ursprünglich wollte ich Konzern sagen,

00:24:42: ein österreichischer.

00:24:43: Aber jetzt haben wir schon den Namen.

00:24:44: Ist ja auch eine große Debatte,

00:24:47: die immer wieder aufkommt

00:24:49: in beispielsweise Zeitungen,

00:24:51: wenn neben einem Klima-Artikel eine Seite weiter

00:24:54: so ein großes Inserate der OMV erscheint.

00:24:57: Argumentiert wird dann oft,

00:24:58: dass Redaktion und Marketing

00:25:00: in einem Medienhaus getrennt sind,

00:25:02: was ja auch seinen Sinn hat grundsätzlich.

00:25:04: Andererseits haben eben Medienhäuser

00:25:07: auch oft finanzielle Engpässe.

00:25:09: Wie siehst du das Problem? Ist es ein Problem?

00:25:11: Oder siehst du da Handlungsbedarf?

00:25:17: Also natürlich, ich würde zuerst mal sagen,

00:25:21: dass die Klimakrise und auch

00:25:23: das Problem der Klima-Berichterstattung

00:25:26: oder die Schwierigkeit der Klima-Berichterstattung

00:25:28: ein systemisches Problem ist.

00:25:31: Dafür sind nicht einzelne Journalist:innen

00:25:33: oder einzelne Unternehmen

00:25:34: oder einzelne Redaktionen

00:25:36: oder Chefredakteur:innen verantwortlich,

00:25:38: sondern es ist ein systemisches Problem.

00:25:40: Es bedeutet, dass man jetzt

00:25:42: nicht auf einen Akteur zeigen kann und sagen:

00:25:45: So geht das nicht.

00:25:47: Also natürlich kann und sollte man das,

00:25:49: aber das ist auf jeden Fall

00:25:50: nicht das alleinige Problem.

00:25:52: Das heißt, deshalb würde ich schon mal sagen,

00:25:53: also darüber hinaus will ich sagen,

00:25:56: das ist natürlich berechtigte Kritik zu sagen:

00:25:59: "was macht ihr da?", auf jeden Fall.

00:26:01: Und ich glaube auch,

00:26:03: dass es irgendwann vollkommen klar sein wird,

00:26:05: so wie es vollkommen klar ist,

00:26:07: dass man nicht Zigaretten fett bewirbt,

00:26:08: dass wir nicht fossile Energieträger fett bewerben

00:26:11: und so tun, als wäre das okay,

00:26:13: weil es diese Konzerne machen.

00:26:14: Aber ich glaube auch, dass...

00:26:15: Natürlich ist die Kritik wahnsinnig berechtigt

00:26:18: und man wird sich der immer mehr stellen müssen.

00:26:20: Aber weil man etwas sinnvoll kritisieren kann,

00:26:23: heißt es ja nicht, dass man damit aufhören sollte.

00:26:25: Also ein Professor von mir hat mal gesagt:

00:26:27: Es geht hier nicht um entweder oder,

00:26:29: sondern in welchem Verhältnis etwas

00:26:31: zueinander steht

00:26:32: und dass das immer die Frage ist,

00:26:33: die wir uns stellen müssen.

00:26:34: Und ich glaube, ähnlich ist es da.

00:26:36: Also in welchem Verhältnis

00:26:37: stehen die finanziellen Mittel,

00:26:40: die wir bekommen als Medien

00:26:42: zu dieser Werbefläche?

00:26:44: Letztendlich glaube ich,

00:26:47: dass da immer eine Spannung da sein wird

00:26:48: und dass irgendwann das natürlich irgendwie

00:26:51: auch Konsens sein wird, dass es nicht okay ist.

00:26:53: Aber ich glaube auch, dass bis wir dort hinkommen...

00:26:56: Das ist auf jeden Fall nicht der wichtigste Kampf,

00:26:58: den es irgendwie zu kämpfen gilt, sondern dass...

00:27:00: Es ist also weiter legitim,

00:27:03: solche Inserate auch groß zu spielen

00:27:05: von der OMV zum Beispiel.

00:27:07: Wenn ich Chefredakteurin eines Mediums wäre,

00:27:10: dann würde das wahrscheinlich nicht durchgehen.

00:27:12: Aber ich würde jetzt niemanden dafür verurteilen.

00:27:17: Ich hab das Gefühl, da gibt es größere Skandale

00:27:19: in österreichischen Medienhäusern.

00:27:21: Okay.

00:27:22: Vielleicht abschließend noch, wie gesagt,

00:27:25: du bist ja jetzt schon recht tief

00:27:26: im österreichischen Journalismus verankert,

00:27:28: kennst die Medienwelt

00:27:30: eigentlich auch schon ganz gut.

00:27:31: Wie ist dein Eindruck von der Medienlandschaft

00:27:34: in Österreich im Kontext der Klimakrise?

00:27:36: Tut sich genug?

00:27:39: Braucht es noch viel mehr Anstrengung?

00:27:41: Vermutlich ja.

00:27:43: Oder wie siehst du die aktuelle Entwicklung?

00:27:45: Auch die Debatte um eigene Klimaressorts,

00:27:47: die jetzt eben immer mehr aufkommt?

00:27:51: Was ist dein Eindruck?

00:27:54: Also ich traue es mir glaube ich nicht zu,

00:27:58: über den österreichischen Journalismus

00:28:00: ein Urteil zu fällen.

00:28:02: Ich habe das Gefühl, dass es einerseits

00:28:05: auf jeden Fall immer schon,

00:28:08: schon sehr lange Journalist:innen gibt,

00:28:10: die wahnsinnig gute Arbeit leisten

00:28:11: und die Klimakrise

00:28:12: wirklich sehr, sehr gut verstanden haben.

00:28:15: Aber es gibt auch sehr viele Journalist:innen,

00:28:19: denen vor allem auch

00:28:20: der Zugang zu Informationen fehlt.

00:28:23: Ich glaube, das ist tatsächlich das größte Problem.

00:28:25: Und die vor allem keinen Zugang dazu haben,

00:28:28: wie dringlich dieses Thema wirklich ist.

00:28:31: Und auch kein sehr tiefgehendes Verständnis.

00:28:33: Also zum Beispiel dieser Fakt,

00:28:34: dass 100 Unternehmen

00:28:36: für 70 % der CO2 Emissionen zuständig sind.

00:28:39: Das ist etwas, dass in unseren Fortbildungen

00:28:41: immer wieder die Leute so richtig schockiert.

00:28:44: Also ich glaube, das ist auf jeden Fall,

00:28:47: es gibt noch ganz viel Bedarf an Wissen

00:28:50: und darüber hinaus ist der Journalismus

00:28:54: ganz stark von Innenpolitik bestimmt.

00:28:57: Also wenn da irgendwie ein

00:29:00: super gut recherchierter, toller Text über,

00:29:02: sagen wir die OMV oder fossiles Lobbying ist

00:29:07: und dann sagt ein SPÖ Politiker einen dummen Satz,

00:29:11: dann wird der dumme Satz eines Politikers

00:29:13: oder einer Politikerin mehr Raum bekommen

00:29:15: als dieser Artikel.

00:29:17: Und ich glaube, deshalb halte ich Diversität

00:29:19: wirklich für einen ganz wichtigen Schlüssel,

00:29:22: um diesem Problem gerecht zu werden.

00:29:23: Wir brauchen einfach mehr Menschen,

00:29:25: die aus unterschiedlicheren Positionen

00:29:27: darüber streiten: Was ist relevant?

00:29:30: Und ich möchte, dass diese Streits

00:29:32: mehr Raum und Zeit bekommen.

00:29:33: Ich glaub, Finanzierung und finanzieller Druck

00:29:36: sind sicher auch ein großes Problem gerade.

00:29:38: Aber ich möchte vor allem,

00:29:39: dass da unterschiedlichere Menschen

00:29:41: auf Augenhöhe mitreden können.

00:29:43: Also dass wir uns die Frage stellen:

00:29:44: Was ist denn eigentlich relevant aus der Position

00:29:46: von einer schwarzen Frau mit Behinderung?

00:29:48: Und nicht immer nur von jemanden, der sich,

00:29:50: keine Ahnung, für Innenpolitik interessiert?

00:29:51: Ich glaube, da gibt es noch

00:29:53: eine zu starke Verengung.

00:29:54: Und das würde ich auch sagen....

00:29:55: Also mehr Informationen, diversere Stimmen,

00:29:59: glaube ich,

00:30:00: sind die zwei wichtigsten Lösungsansätze,

00:30:02: die ich jetzt, wenn man mich einen Tag

00:30:04: zur ORF Chefredakteurin machen würde,

00:30:05: würde ich das verordnen:

00:30:07: Fortbildungen und Diversität!

00:30:09: Du hast gesagt, das Beispiel mit den Unternehmen.

00:30:14: So und so viel sind

00:30:16: für den Großteil der Emissionen verantwortlich.

00:30:18: Wie reagieren die Journalist:innen,

00:30:20: die das eben noch nicht gewusst haben

00:30:21: dann in der Regel?

00:30:22: Oder was nehmen sie aus den Kursen

00:30:23: deiner Erfahrung nach mit?

00:30:25: Auch das kann man vermutlich

00:30:26: nicht verallgemeinern.

00:30:27: Aber was sind denn deine Erfahrungen?

00:30:31: Also die Rückmeldung,

00:30:32: die wir am öftersten kriegen, ist eben,

00:30:34: dass sie die Dringlichkeit,

00:30:37: dass es ihnen gerade dringender vorkommt

00:30:40: als davor.

00:30:41: Was sagen sie dann außerdem?

00:30:42: Mehr zum Thema machen?

00:30:43: Oder was verändern in Ihrer Arbeit?

00:30:47: Es ist unterschiedlich.

00:30:49: Viele, die zu uns kommen,

00:30:51: machen ja auch schon tolle Arbeit.

00:30:53: Aber ich glaube auf jeden Fall...

00:30:56: Also das, worum es bei uns hier geht, ist,

00:30:59: sich einerseits mit der Faktenlage Klimakrise

00:31:01: auseinanderzusetzen und andererseits

00:31:03: auch mit Klima-Kommunikation.

00:31:05: Also wie spreche ich über das Thema

00:31:07: auf eine Art und Weise,

00:31:08: so dass es bei den Menschen ankommt.

00:31:10: Das heißt, es geht eigentlich

00:31:12: tatsächlich vor allem darum,

00:31:13: Informationen zu geben und wie die dann...

00:31:15: Also die meisten sagen schon,

00:31:18: dass ihnen das hilft,

00:31:20: das Ausmaß der Krise irgendwie präsenter zu haben.

00:31:24: Weil man vergisst es ja.

00:31:25: das ist ja auch ein Begriff, der voll cool ist,

00:31:27: ist, finde ich, Slow Violence.

00:31:29: Also man vergisst, wie krass das ist,

00:31:32: weil sich die Veränderung

00:31:33: nicht von heute auf morgen beschreiben lässt.

00:31:35: Und auch ich laufe rum und vergesse,

00:31:38: dass wir wahrscheinlich in ca. sieben Jahren

00:31:40: einen sehr gefährlichen Kipppunkt überschreiten.

00:31:42: Und das ist schon...

00:31:44: Sich das immer wieder klar zu machen,

00:31:46: ist eine extrem schwierige Aufgabe,

00:31:49: auch einfach ganz individuell.

00:31:53: Würdest du dir wünschen,

00:31:55: dass wenn mehr Bewusstsein auch

00:31:56: bei den journalistischen Kolleg:innen da ist,

00:31:58: dass sich dann mehr

00:31:59: vielleicht aktivistisch betätigen,

00:32:01: auch sich wirklich

00:32:02: mit vollem Herzen dem Thema widmen.

00:32:14: Also ich glaube, dass nicht jeder

00:32:17: die Art von Journalismus machen sollte,

00:32:19: die ich mache. Ich glaube, dass...

00:32:23: Also, was ich mir wünsche, ist,

00:32:26: dass wir auf jeden Fall

00:32:27: da ein bisschen mutiger werden.

00:32:29: Ich glaube einfach, jetzt ist die Zeit,

00:32:30: um mutig zu sein

00:32:32: und fette Großprojekte zu beginnen

00:32:35: und zum Chef zu gehen und zu sagen:

00:32:37: Eigentlich finde ich,

00:32:38: machen wir da was richtig falsch.

00:32:40: Und als Chef zu sagen: Ich glaube,

00:32:43: das, was ich die letzten 20 Jahre gemacht habe,

00:32:45: war nicht nur richtig.

00:32:46: Und als junge Journalistin, so wie ich bin,

00:32:49: zu sagen: Hey, ich bin auch Aktivistin

00:32:51: und es ist schwierig,

00:32:52: aber ich halte es für angebracht,

00:32:54: ob dieser riesigen Krise.

00:32:56: Und egal wo man ist, sich zu fragen:

00:33:00: Was kann meine Rolle in dieser riesigen Aufgabe,

00:33:03: die wir als Gesellschaft haben, zu sein?

00:33:05: Nämlich, dass wir eigentlich

00:33:07: unsere Emissionen bis 2030 ja fast...

00:33:10: Also wir sollten sie ja eigentlich

00:33:12: auf Null runterfahren, finde ich.

00:33:14: Aber wir haben uns ja

00:33:15: tatsächlich dazu verpflichtet,

00:33:16: sie bis 2040 auf null runterzufahren.

00:33:18: Und es ist eine riesige, eine riesige Aufgabe.

00:33:22: Und da kann und muss ja jeder mitmachen.

00:33:25: Auf seine Weise.

00:33:27: Das nehme ich gerne als perfekten Schlusspunkt.

00:33:32: Vielen Dank für das spannende Gespräch.

00:33:33: Und als Disclaimer - ja, danke dir -

00:33:36: Als Disclaimer noch kurz:

00:33:37: es gibt auch ganz viele,

00:33:38: die das natürlich schon sehr toll machen.

00:33:40: Also ich sehe mich da überhaupt nicht als besser.

00:33:44: Es gibt viele gute Beispiele schon,

00:33:46: an denen man sich orientieren kann.

00:33:47: Absolut, ja.

00:33:50: Danke dir.

00:33:51: Danke für das Gespräch.

Über diesen Podcast

Freitag in der Arena ist jetzt "Geladen". Mit Geladen starten wir in eine neue Podcast-Ära: kürzer, knackiger und vielleicht auch mal kontroversiell. Schau vorbei unter "Geladen: Hier kommt die Zukunft zu Wort" -> überall, wo es Podcasts gibt!

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