Freitag in der Arena - der oekostrom AG-Talk

Freitag in der Arena - der oekostrom AG-Talk

Transkript

Zurück zur Episode

00:00:07: Es ist Freitag und ich begrüße euch

00:00:09: wieder ganz, ganz herzlich in der Wiener Arena.

00:00:13: Freitag in der Arena -

00:00:14: das ist der Klima-, Öko und Zukunftstalk

00:00:18: der oeostrom AG.

00:00:19: Und bei mir ist wie immer Ulrich Streibl,

00:00:23: der Vorstand der oekostrom AG.

00:00:25: Hallo Ulrich.

00:00:26: Hallo Tom.

00:00:26: Und Hallo an alle Zuhörerinnen und Zuhörer,

00:00:29: Zuseherinnen und Zuseher.

00:00:32: Ja, es ist wieder Freitag

00:00:33: und wir diskutieren wieder Themen

00:00:35: im Bereich von Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit.

00:00:38: Über die Frage:

00:00:39: Wie können wir einen Beitrag leisten,

00:00:41: um die Welt besser zu machen?

00:00:43: Und heute haben wir da wahrscheinlich

00:00:45: die renommierteste Klima- und Umwelt-Forscherin

00:00:47: unseres Landes Österreichs.

00:00:48: Nämlich die Professor Helga Kromp-Kolb.

00:00:52: Und ich freue mich auf ein tolles Gespräch mit ihr.

00:00:54: Willkommen Helga.

00:00:56: Mein Name ist Helga Kromp-Kolb.

00:00:57: Ich bin emeritierte Universitätsprofessorin

00:00:59: an der Universität für Bodenkultur,

00:01:01: bin für Meteorologie und Klimatologie

00:01:03: und nachhaltige Entwicklung zuständig

00:01:05: und versuche beizutragen dazu,

00:01:08: dass die Welt sich

00:01:10: in Richtung Nachhaltigkeit entwickelt

00:01:11: und damit für alle ein besseres Leben ermöglicht.

00:01:15: Ja Helga, schön, dass du hier

00:01:18: bei uns in der Arena bist. Herzlich willkommen!

00:01:20: Und das Tolle für mich persönlich

00:01:23: als Nichtakademiker ist,

00:01:25: dass ich hier mit den Spitzen

00:01:26: der österreichischen Wissenschaft

00:01:29: per Du sein kann,

00:01:30: so als wären wir auf einem Berg über 1000 Meter.

00:01:33: Hallo Helga, sage ich

00:01:36: der renommiertesten Klima-Forscherin,

00:01:38: die es in Österreich gibt.

00:01:40: Und meine allererste Frage an dich ist:

00:01:43: seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten,

00:01:45: warnst du uns vor dem,

00:01:47: was der Klimawandel uns bringt,

00:01:49: was uns bevorsteht.

00:01:51: Das ist ein bisschen wie die Kassandra

00:01:52: auf den Mauern von Troja.

00:01:55: Ist das ein gutes Gefühl zu wissen,

00:01:57: dass man seit Jahren warnt und alle zuhören?

00:02:00: Oder ist das ein bisschen frustrierend?

00:02:02: Ja, dass ich seit Jahren warne,

00:02:04: ist wahrscheinlich der Grund,

00:02:05: warum ich so bekannt bin.

00:02:08: Natürlich ist es auch frustrierend.

00:02:10: Aber den Vergleich mit der Kassandra

00:02:12: möchte ich doch noch nicht ziehen,

00:02:13: weil wir haben ja noch nicht alles verloren.

00:02:15: Das heißt, es ist durchaus möglich,

00:02:16: dass man tatsächlich hört.

00:02:19: Und es werden ja immer mehr, die warnen,

00:02:23: die rufen, die Vorschläge machen,

00:02:24: wie es besser gehen könnte.

00:02:26: Und insofern ist es noch nicht so,

00:02:29: dass man sagt: Das war alles vergebens.

00:02:32: Im Gegenteil, ich glaube,

00:02:33: wir haben gerade jetzt mit den diversen Krisen,

00:02:36: vor denen wir stehen, durchaus Chancen,

00:02:38: auch einen wirklichen Schritt vorwärts zu machen.

00:02:40: Ulrich. Wenn man die Seite von Helga Kromp-Kolb

00:02:44: auf Wikipedia anschaut, steht drin,

00:02:46: sie wurde berühmt, weil sie,

00:02:48: das war noch 2016, 2017,

00:02:51: der Kronenzeitung ein Interview gegeben hat,

00:02:53: wo sie auch schon vor dem Klimawandel gewarnt hat,

00:02:56: auch schon vor dem Millennium eigentlich.

00:02:58: Sie ist Optimistin.

00:03:00: Ich beneide Sie um diesen Optimismus.

00:03:02: Wie geht es denn dir,

00:03:04: wenn du eine Klimaforscherin

00:03:05: so optimistisch sprechen hörst,

00:03:07: dass es doch noch nicht alles verloren ist?

00:03:09: Ich schließe mich dem Optimismus grundsätzlich an

00:03:12: und sage das auch immer,

00:03:13: dass wir das bewältigen werden,

00:03:16: weil wir es bewältigen müssen.

00:03:18: Aber wir sind natürlich schon

00:03:19: in einer bedrohlichen Situation.

00:03:21: Da würde ich gern mit dir

00:03:22: ein bisschen darauf eingehen, Helga.

00:03:24: Weil die Thematik des Klimawandels begann ja

00:03:29: um die Zeit der industriellen Revolution 1850

00:03:34: mit verstärkten wirtschaftlichen Prozessen,

00:03:36: die zunehmend Treibhausgase freigesetzt haben.

00:03:39: Wir rechnen das ja immer in CO2

00:03:41: oder CO2 Äquivalenten,

00:03:42: das sind natürlich auch andere Gase.

00:03:44: Interessant ist aber, dass es

00:03:46: so einen richtigen Schub gibt ab 1970.

00:03:49: Also das ist eigentlich so meine Generation,

00:03:51: die Zeit, in der du auch viel Forschung

00:03:53: und Lehre betrieben hast.

00:03:57: Ist es eigentlich nicht frustrierend,

00:04:01: traurig zu sehen,

00:04:02: dass wir es eigentlich lange wissen

00:04:05: und gerade in den letzten Jahren,

00:04:07: in denen wir gewirkt haben,

00:04:09: ich stelle mir diese Frage immer,

00:04:10: dass da eigentlich dann so wenig Gutes

00:04:13: und so viel Schlechtes passiert ist?

00:04:15: Ich glaube, man kann zu dieser geschichtlichen

00:04:18: Betrachtung noch ein Datum dazufügen.

00:04:20: Und das ist das Ende des Zweiten Weltkrieges.

00:04:22: Nach dem Zweiten Weltkrieg, so ungefähr 1950,

00:04:25: haben sich alle Maßzahlen

00:04:29: unheimlich nach oben entwickelt.

00:04:31: Es ist die Bevölkerung enorm gewachsen.

00:04:33: Da ist aber auch der Verbrauch von Energie

00:04:35: enorm gewachsen.

00:04:36: Da ist alles, was man sich anschaut,

00:04:38: enorm gewachsen.

00:04:39: Und das war natürlich eine Zeit

00:04:41: des Wiederaufbaus, des Neubeginns,

00:04:43: wo alle optimistisch waren.

00:04:44: Und jetzt haben wir

00:04:46: diesen fürchterlichen Krieg hinter uns.

00:04:47: Und jetzt fangen wir neu an.

00:04:49: Und leider eben damals noch ohne das Bewusstsein:

00:04:53: dieser Neubeginn muss

00:04:55: auch in Richtung auf Nachhaltigkeit führen.

00:04:57: Und diese Euphorie der neuen Entwicklung,

00:05:01: der Weiterentwicklung trägt uns

00:05:03: zum Teil immer noch.

00:05:04: Wir haben ja immer noch diesen ungeheuren Glauben

00:05:06: an technologischen Fortschritt, an:

00:05:09: Es wird immer besser,

00:05:10: die Menschen werden immer älter.

00:05:12: Und es gibt daher irgendwie

00:05:14: noch kein wirkliches Gefühl dafür,

00:05:16: dass man etwas wirklich ändern muss,

00:05:19: dass etwas grundsätzlich falsch läuft

00:05:21: und dass auf einem begrenzten Planeten

00:05:23: unbegrenztes Wachstum nicht möglich ist.

00:05:26: Und das wirkt sich klimamäßig

00:05:29: vor allem seit den 70er Jahren deutlich aus.

00:05:31: Da sieht man ganz stark den Temperaturanstieg.

00:05:33: Er hat allerdings schon vorher begonnen.

00:05:35: Dazwischen haben wir nur eine Phase

00:05:37: der leichten Temperatur-Abnahme gehabt,

00:05:39: die aber sehr stark auch

00:05:41: mit den anderen Schadstoffen zusammenhängt,

00:05:43: die in der Atmosphäre waren,

00:05:44: die sozusagen die Atmosphäre trüber gemacht haben.

00:05:47: Und ja, natürlich ist es unerfreulich,

00:05:51: dass das immer noch steigt. Auch jetzt noch.

00:05:54: Trotz Pandemie steigen die Emissionen noch.

00:05:58: Ich würde deswegen auch nicht sagen,

00:06:00: dass ich wirklich eine Optimistin bin.

00:06:02: Ich weiß nicht, was ich bin.

00:06:04: Ich weiß nur, dass wir nicht aufgeben dürfen.

00:06:07: Dass wir alles daransetzen müssen,

00:06:09: diese Veränderung herbeizuführen,

00:06:11: die aus Klimagründen absolut dringend

00:06:14: und notwendig ist. Wir wissen inzwischen,

00:06:15: dass sie auch aus Biodiversitätsgründen

00:06:18: ganz wesentlich und wichtig ist

00:06:20: und auch dringend ist.

00:06:21: Und letztlich auch die Sozialstrukturen

00:06:24: kommen in Bereiche,

00:06:28: wo sie einfach nicht mehr haltbar sind.

00:06:30: Das heißt, es steht ohnehin ein Wandel bevor.

00:06:32: Dann können wir doch schauen,

00:06:34: dass dieser Wandel in die richtige Richtung geht

00:06:36: und nicht in eine falsche.

00:06:38: Es scheint ja schon so,

00:06:39: dass die Community derjenigen Menschen,

00:06:41: die dasThema versteht,

00:06:43: sich dessen annimmt und agiert, größer wird.

00:06:47: Aber trotzdem passiert ja bei weitem nicht das,

00:06:50: was passieren müsste.

00:06:51: Also wir sind ja immer noch bei zumindest flachen

00:06:54: oder steigenden Treibhausgasemissionen.

00:06:57: Was sind denn eigentlich die Effekte heute schon

00:06:59: und was sind die Effekte,

00:07:01: wenn wir so weiter tun, wie wir jetzt tun?

00:07:03: Was bedeutet das eigentlich

00:07:04: für die Menschen in Österreich,

00:07:06: die Menschen in Europa, in der Welt?

00:07:07: Also wir merken es ja in Österreich schon,

00:07:09: vor allem an den extremen Ereignissen.

00:07:11: Also dass die Mittel-Temperaturen steigen,

00:07:12: das kann man aus den Daten ablesen.

00:07:14: Aber das ist nicht etwas, was wir wirklich spüren.

00:07:16: Aber wir merken es an Extrem-Ereignissen.

00:07:18: Wir merken es aber auch an der Vegetation,

00:07:20: die früher anfängt zu blühen in der Regel.

00:07:22: Und dass der Frühling

00:07:24: überhaupt viel früher anfängt

00:07:26: und viel radikaler einsetzt.

00:07:28: Im Grunde genommen geht man

00:07:29: vom Wintermantel gleich ins Sommerkleid

00:07:31: und dazwischen ist nichts mehr.

00:07:32: Das sind Veränderungen, die, glaube ich, jeder,

00:07:35: wenn er ein bisschen aufpasst, merken kann.

00:07:38: Und dann gibt es eben diese Extremereignisse

00:07:40: wie Dürren, wie Überschwemmungen,

00:07:43: wie auch die Borkenkäfer, die den Wald zerstören...

00:07:47: Es gibt einfach viele, viele Zeichen,

00:07:50: dass die Welt nicht in Ordnung ist,

00:07:52: auch nicht in Österreich in Ordnung ist.

00:07:55: Wenn man das global sieht,

00:07:57: dann sind die Zeichen natürlich noch dramatischer

00:07:59: und kosten unheimlich viel Leben jedes Jahr.

00:08:03: Sei es eben durch Wirbelstürme oder durch Tornados

00:08:07: oder eben durchaus auch durch Dürre mit Hungersnot.

00:08:11: Und nicht zuletzt muss man

00:08:12: auch die Migration mit dazuzählen.

00:08:14: Weil die Menschen dort, wo sie leben,

00:08:16: oft einfach keine Möglichkeit mehr haben,

00:08:18: von ihrer kleinen Landwirtschaft zu leben

00:08:21: und sie haben dann keine andere Wahl,

00:08:22: als woanders hinzugehen.

00:08:24: Die meisten gehen ohnehin

00:08:25: in eine nahegelegene Stadt

00:08:27: oder versuchen in die Berge zu gehen,

00:08:30: wo es noch mehr Regen gibt oder so was.

00:08:32: Aber es gibt immer auch die, die dann versuchen,

00:08:34: übers Mittelmeer zu kommen

00:08:35: oder sonst auf irgendeiner Route nach Europa.

00:08:37: Und das sind Menschen,

00:08:40: die aus Klimawandel-Gründen

00:08:43: oder Klimakrise-Gründe, wenn man sagen will,

00:08:45: ihre Heimat verlassen müssen.

00:08:47: Und da kann man natürlich sagen,

00:08:50: das sind wirtschaftliche Argumente,

00:08:51: aber es sind Überlebensargumente.

00:08:53: Und wir haben eigentlich noch keine Strategie,

00:08:56: wie wir damit umgehen.

00:08:57: Wir haben noch nicht wirklich angefangen,

00:08:59: uns darum zu kümmern,

00:09:01: dass in den Ursprungsländern dieser Menschen

00:09:04: ein Überleben möglich wird.

00:09:06: Das kann man einerseits natürlich

00:09:08: mit kleineren Maßnahmen wie, ja,

00:09:11: bis zu einem gewissen Grad Bewässerungen

00:09:13: oder andere Landwirtschaft,

00:09:14: aber im großen Maß eben mit Klimaschutz.

00:09:16: Also, das heißt, da tut sich sehr viel.

00:09:19: Wenn man jetzt fragt, was ist,

00:09:21: wenn wir die im Pariser Klimaabkommen

00:09:24: und in Glasgow noch einmal bestätigten

00:09:26: eineinhalb Grad nicht einhalten, ist die Frage:

00:09:29: In welchem Ausmaß halten wir sie nicht ein?

00:09:31: Es kommt wirklich auf jedes Zehntel Grad an.

00:09:33: Ja, du sagst ja selbst,

00:09:34: wenn ich deine Vorlesungen so nachgehört habe

00:09:37: und nachgelesen habe,

00:09:38: dass wir immer noch auf dem Pfad sind

00:09:40: von drei Grad, vier Grad.

00:09:41: Du beschreibst, dass ein Mädchen,

00:09:43: das heute geboren wird

00:09:44: und wahrscheinlich so um die 100 Jahre alt wird,

00:09:46: dass das in seinem Leben

00:09:48: vier Grad Klimaerwärmung erleben wird.

00:09:51: Bis zu vier Grad, wenn wir nichts tun.

00:09:53: Das ist das, womit wir rechnen müssen.

00:09:55: Was heißt denn vier Grad?

00:09:56: Wenn ich mir das jetzt vorstelle: plus vier Grad.

00:09:58: Wir sind ja in Österreich schon bei plus zwei.

00:10:01: Wenn wir nochmal vier Grad obendrauf kriegen,

00:10:03: was bedeutet das eigentlich?

00:10:05: Na ja, es ist fast nicht vorstellbar.

00:10:06: Das ist ja ein Teil des Problems,

00:10:08: dass wir uns diese Situation

00:10:09: kaum vorstellen können.

00:10:11: Es bedeutet natürlich, dass unsere Wälder

00:10:13: vollkommen anders ausschauen.

00:10:15: Also die Fichten, die jetzt schon an der Grenze

00:10:17: ihrer Temperatur-Verträglichkeit sind,

00:10:19: die wird es also einfach nicht mehr geben.

00:10:21: Wir werden eher in wärmeliebende Bäume hinein,

00:10:24: aber die wachsen halt auch sehr langsam.

00:10:26: Das heißt, wir werden relativ viel,

00:10:28: auch kahle Hänge finden,

00:10:30: wo einfach die Umstellung nicht gelungen ist.

00:10:33: In der Landwirtschaft

00:10:34: wird es andere Anbauprodukte geben müssen,

00:10:38: weil wir auch hier mit Trockenheit und Hitze

00:10:42: wahrscheinlich nicht zurande kommen.

00:10:44: Aber es betrifft im Grunde genommen

00:10:45: jeden Wirtschaftszweig.

00:10:47: Also vom Wintertourismus braucht man

00:10:48: gar nicht reden.

00:10:49: Also es ist einfach fast unvorstellbar,

00:10:53: was das bedeutet.

00:10:54: Und deswegen ist es ja so wichtig,

00:10:56: dass wir das verhindern,

00:10:57: dass wir in dieses Ausmaß von Veränderung

00:10:59: überhaupt hineinkommen.

00:11:00: Du hast gerade was ganz Zentrales

00:11:01: in einem Halbsatz gesagt:

00:11:03: Wenn wir nichts tun.

00:11:05: Aber wir tun doch eh so wahnsinnig viel.

00:11:07: Wir haben keinen Politiker, keine Politikerin,

00:11:09: die in Sonntagsreden nicht permanent

00:11:11: den Klimawandel strapaziert.

00:11:15: Gesetze werden doch permanent,

00:11:17: zumindest verbal in Umlauf gebracht.

00:11:19: Tun wir nicht eh wahnsinnig viel?

00:11:21: Also leider: Vom Reden ändert sich nichts.

00:11:23: Also man muss zwar auch reden.

00:11:25: Wir tuns ja auch jetzt.

00:11:26: Aber im Grunde genommen müssen Handlungen folgen.

00:11:29: Ich muss sagen, ich bewundere,

00:11:31: mit welcher Beharrlichkeit

00:11:33: die jetzige Umweltministerin dahinter ist,

00:11:35: dass die Gesetze, die vereinbart wurden

00:11:37: im Koalitionsabkommen,

00:11:39: dass die Schritt für Schritt umgesetzt werden.

00:11:42: Auch wenn sie dann oft

00:11:43: weit hinter dem zurückbleiben,

00:11:45: was ich mir wünschen würde,

00:11:48: aber wahrscheinlich auch,

00:11:48: was sie sich wünschen würden.

00:11:50: Also ich glaube, es geht etwas weiter.

00:11:51: Es geht mehr weiter

00:11:53: als in den letzten Jahrzehnten, würde ich sagen.

00:11:56: Gemessen an dem, was notwendig ist,

00:11:57: ist es natürlich zu wenig.

00:11:59: Und das hat schon damit zu tun,

00:12:00: dass eben offenbar noch nicht für alle klar ist,

00:12:03: in welcher Situation wir uns befinden.

00:12:05: Aber warum ist es noch immer nicht klar?

00:12:06: Die Wissenschaft, die Experten, Expertinnen

00:12:09: warnt seit, ich sage jetzt mal seit Jahrzehnten,

00:12:11: sitzen wir alle so da und hören euch nicht zu.

00:12:15: Ich glaube, es hat mehrere Gründe.

00:12:17: Das eine ist, dass es wirklich

00:12:18: ein Umdenken erfordert.

00:12:19: Und das fällt jedem schwer.

00:12:22: Das fällt aber insbesondere...

00:12:24: Also man braucht nur überlegen,

00:12:25: wie leicht steigt man um vom PKW

00:12:28: auf den öffentlichen Verkehr,

00:12:30: obwohl er vor der Haustür vorhanden ist?

00:12:32: Ich rede jetzt nicht von denen,

00:12:33: wo es den öffentlichen Verkehr nicht gibt.

00:12:35: Die werden dann immer ins Treffen geführt.

00:12:36: Aber es geht um die, die tatsächlich

00:12:38: den öffentlichen Verkehr zur Verfügung hätten.

00:12:40: Und auch da ist es nicht so selbstverständlich,

00:12:42: dass man umsteigt.

00:12:43: Aber das geht natürlich noch viel stärker

00:12:45: im Bereich der Politik,

00:12:46: wo es eben auch ganz starke Strukturen

00:12:49: und Interessen gibt, die sich dagegen wehren.

00:12:51: Die einfache Pfründe haben,

00:12:54: die ja nicht schlecht gefahren sind bisher damit

00:12:58: und irgendwie glauben, das geht auch so weiter.

00:13:00: Und es geht natürlich bis dorthin,

00:13:02: wo es in letzter Zeit einfach

00:13:03: viel klarer geworden ist,

00:13:05: dass das nicht nur jetzt so, ich weiß nicht,

00:13:08: österreichische Strukturen sind,

00:13:11: sondern dass es durchaus

00:13:12: auf der internationalen Ebene

00:13:14: eben informelle Interessen und Strukturen gibt,

00:13:18: die einfach sehr stark bremsen.

00:13:21: Oxfam hat vor kurzem eine Studie publiziert,

00:13:24: die zeigt,

00:13:25: dass die 10 % reichsten Menschen der Welt,

00:13:28: dass die, wenn alles so weitergeht wie bisher,

00:13:32: bis 2030, also innerhalb von weniger als 10 Jahren,

00:13:35: das gesamte Budget an Treibhausgasen,

00:13:38: die wir noch in die Atmosphäre einbringen dürfen,

00:13:39: wenn wir die 1,5 Grad nicht überschreiten,

00:13:42: aufgebraucht haben wird.

00:13:43: Das heißt, wir müssen uns jetzt auch

00:13:45: um die wenigen Reichen kümmern und nicht sagen:

00:13:48: Ja, das sind so wenige,

00:13:49: die sollen machen, was sie wollen.

00:13:51: Sie haben einen ungeheuren Fußabdruck

00:13:53: und haben natürlich auch

00:13:55: einen ungeheuren Einfluss auf die Politik.

00:13:57: Das ist gar keine Frage.

00:13:58: Und das sind Aspekte, die wir bis jetzt

00:14:02: eigentlich nicht wirklich angeschaut haben

00:14:04: und auf die man aber einsteigen muss.

00:14:07: Du sagst, innerhalb von weniger als zehn Jahren,

00:14:11: das sind jetzt noch neun,

00:14:12: werden wir das Treibhausgas-Budget

00:14:15: aufgebracht haben.

00:14:16: Das heißt dann werden die 1,5 Grad

00:14:17: schon erreicht sein

00:14:19: oder nicht mehr reversibel sein.

00:14:20: Und das nur, weil ein kleiner Teil

00:14:22: der Weltbevölkerung dieses Budget aufbraucht.

00:14:25: Das heißt für die 90 % bleibt eigentlich gar nichts

00:14:27: und wir sind schon 2030 am Limit.

00:14:30: Das ist das Problem. Ja.

00:14:32: Das ändert nichts daran,

00:14:34: dass alle anderen auch weit über ihren -

00:14:36: also alle anderen...

00:14:38: zumindest die Industriestaaten

00:14:40: weit über den ihnen zustehenden Emissionen sind.

00:14:44: Aber es gibt eben eine kleine Gruppe,

00:14:46: die das im Übermaß ist.

00:14:48: Und das hängt mit den Privatjets zusammen.

00:14:51: Das hängt mit den Yachten zusammen,

00:14:53: die ja fast kleine Städte sind.

00:14:55: Und das hängt natürlich auch

00:14:57: mit so absurden Sachen wie

00:14:58: ein touristischer Weltraumflug zusammen.

00:15:00: Das sind Bilder und Vorspiegelungen

00:15:06: von einer Verfügbarkeit von Ressourcen,

00:15:08: die einfach nicht mehr da sind.

00:15:10: Und auf das muss man hinweisen.

00:15:13: Jetzt haben wir mit Optimismus begonnen,

00:15:15: wenn man dich jetzt so hört, sind dann die Ziele,

00:15:17: die wir uns alle so gesetzt haben in der Welt

00:15:19: oder in Österreich oder in Europa

00:15:20: mit 2040 klimaneutral, 2050 klimaneutral...

00:15:23: Wird das die Klimakrise überhaupt lösen können?

00:15:27: Weil, wenn ich dich jetzt so höre,

00:15:29: ist es 2030 eigentlich schon ziemlich drüber.

00:15:32: Na ja, wenn wir die Ziele ernst nehmen

00:15:34: und alles tun, um das zu erreichen,

00:15:35: dann wird das die Klimakrise lösen.

00:15:37: Aber das heißt, dass diese Menschen,

00:15:40: diese Personengruppe eingebunden sein muss.

00:15:43: Das heißt, dass sie auch beschnitten,

00:15:45: wenn man das so nennen will, werden muss.

00:15:47: Das heißt, dass es nicht geht, dass man sagt,

00:15:51: um die wenigen kümmern wir uns nicht.

00:15:52: Sondern dass die miteingebunden sein müssen

00:15:55: in die Reduktionen.

00:15:56: Aber beißt sich die Katze nicht in den Schwanz

00:15:58: ein bisschen, wenn wir sagen:

00:16:00: Ja, die Reichsten müssen auch in diese

00:16:04: Verzichtsgesellschaft mit aufgenommen werden.

00:16:06: Aber gleichzeitig sage ich dann:

00:16:08: Okay, wenn bei den paar Leuten

00:16:10: das so einen unheimlichen impact hat,

00:16:13: warum soll ich dann

00:16:15: von meinem Auto auf die U-Bahn umsteigen,

00:16:17: wenn die ohnehin nichts machen?

00:16:19: Also da wird dann das Argumentieren

00:16:21: auch ein bisschen schwierig.

00:16:22: Weil warum soll ich auf meinen Komfort verzichten,

00:16:24: wenn diese 10 % ohnehin alles aufbrauchen,

00:16:26: was noch übrig ist?

00:16:27: Deswegen halte ich Demokratie für was Wichtiges.

00:16:31: Und deswegen, glaube ich,

00:16:32: muss unsere Demokratie gestärkt werden.

00:16:34: Deswegen halte ich es für unheimlich wichtig,

00:16:35: dass wir für unsere Demokratie kämpfen

00:16:37: und dass wir die Sachen ansprechen.

00:16:40: Weil es müssen sozusagen die Mehrheit,

00:16:43: die dann auch Gesetze möglich macht,

00:16:46: die muss auch verstehen, worum es geht.

00:16:48: Und die muss auch verstehen,

00:16:50: dass man sich eben auch

00:16:51: gegen diese Glamour-Gesellschaft wenden kann.

00:16:53: Und dort, denke ich,

00:16:54: wird es wirklich auf Verzicht hinauslaufen.

00:16:56: Bei uns anderen glaube ich nicht,

00:16:58: dass es auf Verzicht hinausläuft.

00:16:59: Sondern bei uns anderen

00:17:00: geht es um ein besseres Leben,

00:17:02: also ein Leben mit mehr Qualität.

00:17:04: Ja, man muss Gewohnheiten ändern,

00:17:06: aber die Qualität nachher ist eine höhere.

00:17:09: Bin ich überzeugt.

00:17:10: Wie kann das funktionieren, dass man Menschen,

00:17:12: die nur statt ins Auto vor der Haustür

00:17:16: in die U-Bahn vor der Haustür steigen müssen,

00:17:18: dass man denen klarmacht:

00:17:19: Dadurch wird dein Leben besser.

00:17:21: Dieses Argument,

00:17:22: dass insgesamt alle etwas davon haben,

00:17:25: wenn ich auf eine Kleinigkeit verzichte, das ist

00:17:28: in einer Wachstums- und Wohlstandsgesellschaft

00:17:30: irrsinnig schwer zu kommunizieren.

00:17:32: Das ist schwer zu kommunizieren.

00:17:34: Aber deswegen glaube ich, dass es wichtig ist,

00:17:36: dass man auch Angebote hat,

00:17:38: wo man es ausprobieren kann.

00:17:39: Und ich denke, zum Beispiel dieses Auto-Fasten

00:17:42: ist für diesen Zweck ein sehr gutes Projekt,

00:17:45: wo man nicht das Auto gleich verkauft,

00:17:48: sondern einfach sagt:

00:17:49: Ja, eine Woche, ein Monat lang

00:17:51: versuche ich ohne auszukommen,

00:17:53: zumindest für meine tägliche Fahrt

00:17:54: zur Arbeit oder was immer.

00:17:56: Und dann kommt man vielleicht drauf,

00:17:58: dass das viel angenehmer ist,

00:18:00: weil man nicht Parkplatz suchen muss,

00:18:02: weil man den Stress nicht hat

00:18:03: mit all diesen anderen,

00:18:04: die ja alle nicht fahren können und so weiter.

00:18:06: sondern dass man ruhig in der U-Bahn,

00:18:08: Straßenbahn, Bus sitzen kann, im Zug sitzen kann

00:18:11: und lesen kann, mit irgendwem sprechen kann,

00:18:14: wenn man will auch dösen kann, schlafen kann.

00:18:16: Das heißt, es bietet einfach

00:18:18: so viel mehr Möglichkeiten,

00:18:19: wenn man nicht hinter dem Steuer sitzt.

00:18:23: Wie gesagt, es ist nicht jede Maßnahme

00:18:26: für jeden die geeignete.

00:18:27: Und ich höre schon alle aufschreien und sagen:

00:18:31: Aber bei mir fährt kein Bus!

00:18:34: Aber die rede ich jetzt nicht an, sondern die,

00:18:37: bei denen der Bus fährt oder die U-Bahn fährt.

00:18:39: Die anderen haben andere Möglichkeiten.

00:18:41: Vielleicht Wärmedämmung beim Haus oder sonst was,

00:18:45: wo es dann behaglicher drinnen ist

00:18:47: und gleichzeitig die Energiekosten zurückgehen.

00:18:50: Also es gibt einfach sehr vieles,

00:18:51: was man tun kann.

00:18:52: Und man muss ja nicht gerade mit dem anfangen,

00:18:54: wo man sich am schwersten tut.

00:18:56: Obwohl es auch die Menschen gibt,

00:18:58: die gerade das gerne als erstes machen.

00:19:00: Ich glaube, da ist einfach sehr viel Spielraum.

00:19:01: Da kann jeder tun, was er will.

00:19:03: Aber und jetzt zurück zu dieser Frage:

00:19:05: Was nützt es, wenn wir was tun

00:19:07: und die Großverbraucher nichts tun?

00:19:09: Das zeigt eben, dass es nicht genügt,

00:19:12: dass ich die Lichtschalter abdrehe

00:19:14: oder was auch immer.

00:19:15: Sondern dass ich mich auch

00:19:16: politisch engagieren muss.

00:19:18: Das heißt, ich kann zum Beispiel

00:19:20: an die Zeitungen schreiben,

00:19:21: wenn sie großartige Reportagen bringen

00:19:24: über deren Luxusleben.

00:19:25: Dann kann ich durchaus einen Leserbrief schreiben

00:19:27: und sagen: Das finde ich unangebracht.

00:19:29: Oder ich kann Politikern schreiben und sagen:

00:19:32: Da gehört schon längst ein Gesetz her,

00:19:33: das dieses oder jenes einschränkt.

00:19:35: Und ich kann auf die Straße gehen.

00:19:37: Ich kann mit Fridays for Future demonstrieren.

00:19:39: Es gibt viele Möglichkeiten, was man tun kann.

00:19:42: Und je nachdem, was man ist oder wo man tätig ist,

00:19:45: man kann natürlich auch

00:19:46: in der eigenen Branche versuchen,

00:19:48: Gesetze zu erreichen, Spielregeln zu erreichen,

00:19:51: die in die richtige Richtung gehen.

00:19:53: Das heißt, ich glaube, es geht nicht nur darum,

00:19:55: was ich persönlich mache,

00:19:56: sondern auch, was ich sozusagen

00:19:58: in der Wirksamkeit nach außen hin tue.

00:20:02: Bleiben wir mal bei den 90 %,

00:20:04: die ohnehin nicht die Möglichkeiten haben,

00:20:06: auf großen Yachten herumzufahren

00:20:09: und mit Privatjets zu fliegen,

00:20:11: da stellt sich einmal die Frage:

00:20:13: Ist die Klimakrise individuell lösbar

00:20:14: oder ist sie nur systemisch lösbar

00:20:16: für die 90 %, die normale Bevölkerung?

00:20:21: Es gibt die Studie

00:20:25: der Internationalen Energieagentur,

00:20:27: dieser Pathway to Zero, der eigentlich sagt,

00:20:31: dass nur 4 % des ganzen Themas

00:20:33: gelöst werden können,

00:20:34: indem wir uns individuell anders verhalten.

00:20:37: Die 96 % gehen über Technologie.

00:20:40: Würdest du das auch so sehen oder ist es nicht so?

00:20:43: Also ich sehe das ganz anders. Ich glaube,

00:20:45: dass es eine systemische Änderung braucht.

00:20:48: Aber ich glaube, dass die systemische Änderung

00:20:50: nur herbeiführbar ist durch individuelles Handeln.

00:20:52: Also ich glaube nicht,

00:20:54: dass da irgendein weiser Herrscher jetzt kommt

00:20:57: und das von oben herunter löst,

00:21:00: sondern ich glaube, es braucht wirklich

00:21:01: die Demonstration der Einzelnen,

00:21:04: dass sie etwas anders haben wollen.

00:21:06: Und diese technologischen Betrachtungen

00:21:10: greifen einfach viel zu kurz.

00:21:13: Weil natürlich ist es begrenzt,

00:21:16: was der Einzelne tun kann.

00:21:18: Es gibt ganz andere Zahlen auch, die sagen,

00:21:20: dass wenn die Menschen, sozusagen das Individuum

00:21:24: kollektiv versucht, klimafreundlicher zu leben,

00:21:27: können wir 1/4 der Emissionen reduzieren.

00:21:30: Aber wir dürfen nicht übersehen,

00:21:31: dass das Konsequenzen hat.

00:21:33: Wenn die Leute auf die öffentlichen Verkehrsmittel

00:21:36: umsteigen und dabei bleiben,

00:21:37: dann führt es dazu,

00:21:39: dass weniger Autos produziert werden.

00:21:40: Weil wer soll sie dann kaufen?

00:21:41: Und das führt wieder dazu,

00:21:43: dass ich viel weniger Ressourcen brauche,

00:21:45: die ich sonst für die Autos brauche.

00:21:46: Und das führt dazu,

00:21:48: dass ich viel weniger Infrastruktur brauche.

00:21:49: Ich brauche die Straßen nicht mehr,

00:21:51: ich brauche die Parkhäuser nicht mehr.

00:21:53: Es gibt so vieles, was dann wegfällt.

00:21:56: Natürlich, die Parkhäuser sind jetzt schon da,

00:22:00: aber wir können sie vielleicht anders nutzen,

00:22:02: ohne wieder neu bauen zu müssen.

00:22:04: Und dasselbe gilt für viele andere Bereiche.

00:22:07: Wenn ich mich zum Beispiel gesünder ernähre,

00:22:09: in Richtung von weniger Fleischkonsum,

00:22:11: in Richtung saisonal, regional, biologisch,

00:22:14: hat das Konsequenzen für die Landwirtschaft,

00:22:16: hat das Konsequenzen

00:22:17: für die ganze Nahrungsmittelindustrie,

00:22:19: hat es Konsequenzen für das Gesundheitssystem.

00:22:21: Unser Gesundheitssystem ist durchaus

00:22:23: auch eine Belastung der Umwelt

00:22:25: in vielfacher Hinsicht, auch des Klimas.

00:22:28: Also das zieht ja alles Konsequenzen.

00:22:30: Und zu behaupten, dass das nur 4 % sind,

00:22:32: also das ist so typisch Milchmädchen...

00:22:35: Das darf man nicht sagen.

00:22:36: Ich schätze die Milchmädchen...

00:22:39: Aber man darf es nicht so einfach umlegen.

00:22:42: Das ist so, wie wenn man sagt,

00:22:44: der ganze Landwirtschaftssektor

00:22:45: macht nur eine einstellige Prozentzahl

00:22:47: unseres Wirtschaftsbereiche aus,

00:22:49: wir können auf ihn verzichten.

00:22:51: Nein, wir verhungern dann.

00:22:52: Das sind so triviale Ansätze,

00:22:55: die einfach unpassend sind.

00:22:56: Aber es ist doch so, dass das Kollektiv,

00:23:00: alle oder die 90 % normaleren des Kollektivs,

00:23:03: sich ja offensichtlich klimaschädlich verhalten.

00:23:07: Das Kollektiv fährt Autos,

00:23:09: das Kollektiv benutzt Nahrungsmittel,

00:23:11: die nicht nachhaltig produziert sind.

00:23:15: Jetzt gibt es einzelne

00:23:17: und eine wachsende Mehrheit,

00:23:19: die bewusster an diese Thematik herangeht.

00:23:21: Aber damit drehen wir doch das Kollektiv nicht.

00:23:23: Das Kollektiv drehen wir doch nur

00:23:25: durch systemische Veränderungen.

00:23:26: Deswegen sage ich ja: Es muss ineinandergreifen.

00:23:28: Aber wer soll

00:23:29: die systemischen Veränderungen herbeiführen?

00:23:31: Das muss ja letzten Endes die Politik machen.

00:23:33: Zum Teil kann es die Wirtschaft machen,

00:23:35: indem sie eben entweder

00:23:37: sich selber Spielregeln gibt oder bestimmte Sachen

00:23:40: einfach nicht mehr produziert.

00:23:42: Aber das ist in diesem System sehr schwer.

00:23:44: Das ist in dem System sehr schwer zu sagen,

00:23:46: was weiß ich:

00:23:47: Ich produziere keine Wegwerfartikel mehr,

00:23:49: weil wir in eine Kreislaufwirtschaft

00:23:51: kommen müssen.

00:23:52: Aber ich glaube, der Anstoß von der Wirtschaft

00:23:55: ist schon ein sehr wichtiger. Den brauchen wir.

00:23:56: Aber wir brauchen auch den Anstoß vom Einzelnen.

00:23:59: Warum passiert dann so wenig?

00:24:00: Weil, wenn ich mir das so anschaue:

00:24:02: Jetzt haben wir endlich mal

00:24:03: den Einstieg in die CO2 Steuer geschafft.

00:24:06: Und ich teile das ja,

00:24:07: dass wir wahrscheinlich zum Ersten Mal

00:24:09: eine Klima- und Umweltministerin haben,

00:24:13: die wirklich was vorwärts bringt.

00:24:14: Also, da bin ich ganz da.

00:24:16: Trotzdem hat der politische Prozess dazu geführt,

00:24:19: dass diese CO2 Steuer

00:24:21: eigentlich eine Mickey Mouse Veranstaltung ist.

00:24:23: Das sind 35 € die Tonne CO2,

00:24:28: die da jetzt belastet werden.

00:24:29: Der internationale CO2 Preis ist jetzt schon

00:24:32: in diesem Emissionshandelssystem bei über 80.

00:24:35: Diese 35 €, die wir uns in Österreich da geben,

00:24:39: sind also schon im internationalen Maßstab

00:24:41: viel zu niedrig.

00:24:42: Und sie führen beim Benzin und Diesel, glaube ich,

00:24:44: zu 7 Cent mehr.

00:24:45: Allein durch die Ölpreis-Veränderungen

00:24:47: in den letzten Jahren haben wir, glaube ich,

00:24:48: 40 Cent mehr gekriegt

00:24:50: und trotzdem fahren die Autos.

00:24:51: Warum passiert systemisch so wenig?

00:24:55: Na ja, in Österreich kann man jetzt einfach

00:24:58: ganz konkret sagen:

00:24:59: durch das Verhältnis der Regierung,

00:25:01: der Regierungsparteien.

00:25:02: Und ich glaube, das kann man

00:25:05: völlig logisch ableiten aus den Äußerungen,

00:25:10: dass die Bremse beim größeren Regierungspartner lag

00:25:13: und nicht bei der Umweltministerin, Klimaministerin.

00:25:17: Die Frage ist: warum?

00:25:18: Warum bremst der größere Regierungspartner so?

00:25:21: Und da sind wir wieder bei den Strukturen,

00:25:23: bei den Systemen.

00:25:24: Und wir können aber nicht erwarten,

00:25:26: dass sich eine Wirtschaftskammer,

00:25:28: eine Industriellenvereinigung

00:25:30: von oben herunter verändert

00:25:32: oder auch eine Gewerkschaft,

00:25:34: um da ausgeglichen zu bleiben,

00:25:35: sondern da müssen

00:25:37: die Mitglieder etwas verändern wollen.

00:25:39: Und ich glaube, gerade bei der Steuer

00:25:41: passiert das durchaus.

00:25:43: Also ich war vor nicht allzu langer Zeit

00:25:46: bei einer Diskussion in Vorarlberg

00:25:47: und dort hat der Wirtschaftsvertreter,

00:25:49: der dort mit am Podium saß,

00:25:51: dem jetzigen Finanzminister ganz offen gesagt:

00:25:54: Ich will keine 30 €, ich will 300 € CO2 Steuer,

00:25:59: dann passiert endlich was.

00:26:00: Dann sind alle, auch für die Technologie-Freaks,

00:26:03: dann sind alle diese neuen Produkte,

00:26:06: die schon warten auf den Markt zu kommen,

00:26:08: plötzlich rentabel. Dann kommen sie.

00:26:10: Solange wir bei 30 € sind,

00:26:13: ist das einfach nicht finanzierbar.

00:26:15: Und parallel dazu muss man natürlich

00:26:19: diese 300 € dann auch verwenden, um denen,

00:26:22: die wirklich unter den 300 € leiden,

00:26:25: zu helfen, dass sie zurande kommen

00:26:28: mit den höheren Preisen.

00:26:29: Und das heißt nicht unbedingt,

00:26:31: dass man einen Bonus auszahlen muss,

00:26:33: sondern das kann auch heißen,

00:26:35: dass ich ihnen zum Beispiel helfe,

00:26:36: ihre Wohnungen zu sanieren, thermisch zu sanieren.

00:26:38: Aber das muss sozial ausgewogen sein,

00:26:41: das ist gar keine Frage.

00:26:43: Man darf das Ökologische

00:26:45: nicht vom Sozialen getrennt sehen.

00:26:48: Das ist ein Thema.

00:26:49: Und es ist ja eigentlich

00:26:51: die Klimapolitik keine Umweltpolitik mehr,

00:26:53: es ist ja im Grunde eine Gesellschaftspolitik.

00:26:56: Und zur Gesellschaftspolitik gehört eben

00:26:58: sowohl die Umwelt als auch das Soziale.

00:27:01: Und wenn man das nicht zusammendenkt,

00:27:02: werden wir auf jeden Fall Schiffbruch erleiden.

00:27:04: Woher nimmst du diese positive Ausstrahlung,

00:27:08: diesen Optimismus, wenn du über Dinge redest,

00:27:11: die du doch schon seit 10, 20, 250 Jahren erzählst,

00:27:15: die die Wissenschaft, die die Expertinnen

00:27:17: seit so langer Zeit uns sagen.

00:27:20: Du erzählst uns das hier

00:27:22: mit einer Freude in der Stimme, wo ich mir denk:

00:27:25: Du erzählst es zum Ersten Mal

00:27:26: und hast die letzten 15, 20 Jahre Realpolitik

00:27:29: einfach ausgeblendet.

00:27:32: Ja, ich glaube,

00:27:33: wir haben vorher übers Bergsteigen geredet,

00:27:35: das ist wie beim Bergsteigen.

00:27:36: Man muss ab und zu zurückschauen und schauen,

00:27:38: wie viel Höhenmeter man schon hat.

00:27:40: Wie weit ist man schon gekommen?

00:27:42: Der Gipfel ist immer noch sehr weit.

00:27:44: Aber wenn man nicht ab und zu sieht,

00:27:45: was schon erreicht wurde,

00:27:47: dann verliert man die Zuversicht,

00:27:49: dass man den Gipfel auch erreichen kann.

00:27:51: Und ich glaube, das ist auch in der Klimapolitik so.

00:27:53: Es ist schon sehr viel erreicht.

00:27:55: Es ist jetzt ein Thema,

00:27:58: mit dem sich jeder irgendwie einmal

00:28:00: konfrontiert gesehen hat.

00:28:02: Wenn man den Umfragen glaubt,

00:28:04: ist es für die meisten Österreicher

00:28:06: oder für mehr als die Hälfte der Österreicher

00:28:08: durchaus eines der wichtigsten Themen überhaupt.

00:28:11: Von der Jugend brauche ich gar nicht reden,

00:28:13: die demonstriert das immer wieder auf der Straße.

00:28:16: Das heißt, ich glaube,

00:28:17: da hat sich schon sehr viel getan.

00:28:18: Wie ich angefangen habe zu reden,

00:28:20: ist mir ein massiver Gegenwind entgegengetreten.

00:28:23: Jetzt wird niemand sagen:

00:28:25: Nein, nein, das brauchen wir nicht.

00:28:27: Sondern es spießt sich an den,

00:28:28: ich sage mal, Details.

00:28:29: Es sind keine Details, es sind schon

00:28:31: ganz wesentliche strukturelle Probleme.

00:28:33: Aber wir sind einen guten Schritt weiter.

00:28:36: Und wir haben immerhin in der EU eine Kommission,

00:28:40: die das auch hoch auf der Agenda hat.

00:28:42: Auch da kann man drüber diskutieren,

00:28:43: ob das jetzt ideal ist.

00:28:45: Aber es ist wenigstens dort.

00:28:47: Und es ist in der österreichischen Politik

00:28:49: auf der Agenda.

00:28:50: Die Stadt Wien hat sich

00:28:52: ein sehr ambitioniertes Ziel gesetzt.

00:28:54: Wenn man sich vorstellt,

00:28:55: dass die Stadt Wien aus Gas aussteigen will.

00:28:57: Das ist schon eine ganz beachtliche Vorgabe,

00:29:00: die man sich da macht.

00:29:02: Es passiert ja einiges.

00:29:03: Oder zumindest sind die Vorsätze da.

00:29:06: Und wenn das einmal anfängt,

00:29:07: in die Verwaltungsstrukturen einzusickern,

00:29:10: dann glaube ich, wird sich wirklich etwas ändern.

00:29:13: Weil dann kommt es nicht mehr

00:29:14: auf die Sonntagsreden an,

00:29:15: sondern dann kommt es

00:29:16: auf das tägliche Geschäft an,

00:29:18: auf jeden einzelnen Akt, der unterschrieben wird,

00:29:20: ob das mitgedacht wird oder nicht.

00:29:22: Ulrich. Geht sich das alles noch aus -

00:29:26: für die 1,5 Grad,

00:29:28: wenn jetzt die Wiener Verwaltung anfängt,

00:29:31: jeden einzelnen Akt zu unterschreiben?

00:29:33: Ich frage es mal ganz polemisch.

00:29:35: Das darfst du eigentlich jetzt nicht so einen

00:29:36: profanen Wirtschaftler fragen wie mich.

00:29:38: Sondern das musst du die Frau Professorin fragen.

00:29:40: Natürlich. Sie ist ja Optimistin.

00:29:42: Schau. Ich glaube, dass sich das ausgehen wird,

00:29:46: weil es sich ausgehen muss.

00:29:48: Weil wir haben die Konsequenzen ja gehört.

00:29:50: Es würde sich die Natur in Österreich

00:29:53: so verändern, dass unser Leben,

00:29:55: und zwar das gesellschaftliche Leben,

00:29:56: das soziale Leben und auch

00:29:57: das wirtschaftliche Leben ein ganz anderes wäre.

00:29:59: Gleichzeitig würden sich die Lebensbedingungen

00:30:02: in Regionen, die viel stärker davon betroffen sind,

00:30:04: nämlich die südlicher liegen von uns

00:30:06: und es dann noch heißer haben...

00:30:08: Also man stelle sich mal vor,

00:30:09: sechs Grad haben wir grad vorher diskutiert,

00:30:10: obendrauf...also zwei haben wir schon oder eins

00:30:12: plus noch mal drei oder vier oder fünf...

00:30:15: Dann würde man dort nicht mehr leben können.

00:30:17: Dort entstehen dann Todeszonen,

00:30:19: in denen Menschen nicht mehr leben können.

00:30:21: Was wird passieren?

00:30:22: Diese Menschen werden sich aufmachen,

00:30:23: die werden flüchten, die werden zu uns kommen.

00:30:24: Wir werden soziale Verwerfungen kriegen,

00:30:26: die sind unfassbar.

00:30:28: Also wenn wir ein Leben weiterführen wollen,

00:30:33: das ein gutes ist, dann muss sich das ausgehen.

00:30:35: Und ich glaube, dass sich das auch

00:30:39: deshalb ausgehen wird, weil das Leben,

00:30:42: das vor uns liegt, wenn wir es richtig machen,

00:30:44: ja besser ist als das, was wir heute haben.

00:30:47: Weil was haben wir denn heute?

00:30:48: Heute haben wir Städte,

00:30:50: in denen der größte Teil der Fläche

00:30:52: für Autos verwendet wird.

00:30:54: Also Fahrradwege sind so schmal

00:30:56: die Parkplätze für Autos sind 2,5 Meter.

00:30:58: Und davon gibt es ganz viele.

00:31:00: Benzin und Diesel, das ausgestoßen wird,

00:31:03: führt dazu, dass man die Votivkirche

00:31:05: alle fünf Jahre putzen muss.

00:31:06: Jetzt ist sie grade mal wieder weiß

00:31:07: und in fünf Jahren ist sie wieder schwarz.

00:31:09: All das wird ja verschwinden.

00:31:11: Die Luft wird besser werden,

00:31:12: das Leben in den Städten wird besser sein.

00:31:15: Der Platz wird mehr sein, wenn die Autos weg sind,

00:31:17: zum großen Teil wenigstens weg sind.

00:31:19: Die Natur wird gesünder sein.

00:31:21: Das wird dazu führen,

00:31:22: dass wir gesündere Lebensmittel haben.

00:31:24: Also das ist ja alles ein Bild eines Lebens,

00:31:26: das ich mir zumindest ausmale,

00:31:28: das ich hoffentlich noch in Teilen miterleben kann,

00:31:32: das meine Kinder erleben,

00:31:33: das meine Enkelkinder erleben.

00:31:34: Da ist ja ein positives Zielbild da.

00:31:36: Deswegen glaube ich schon,

00:31:37: dass das passieren wird.

00:31:39: Ein wenig Sorge habe ich mit dem Tempo.

00:31:41: Weil Politik typischerweise jetzt nicht,

00:31:43: zumindest in demokratischen Strukturen,

00:31:45: nicht immer so schnell ist, wie es sein muss.

00:31:47: Und in diesem Fall

00:31:48: müssen wir wahnsinnig schnell sein.

00:31:50: Also das haben wir jetzt ein bisschen schockiert

00:31:52: mit den 10 % Reichen, dass die eigentlich

00:31:53: innerhalb der nächsten zehn Jahre

00:31:54: alles aufbrauchen,

00:31:55: was wir als Weltbevölkerung zur Verfügung haben.

00:31:57: Und zehn Jahre sind kurz.

00:31:59: Zehn Jahre für den Umbau

00:32:00: ganzer Wirtschaftsstrukturen,

00:32:02: auch des gesellschaftlichen Denkens und Handelns,

00:32:05: das halte ich schon für kurz.

00:32:07: Aber umso mehr müssen wir

00:32:09: diesen Zeitdruck aufnehmen

00:32:10: und in unser Handeln übersetzen und es eben tun.

00:32:13: Und da stimme ich ja mit Helga überein.

00:32:15: Wir müssen das an allen Ecken und Enden tun.

00:32:18: Da muss die Wirtschaft vieles tun.

00:32:20: Dafür spüre ich übrigens gerade viel Gutes.

00:32:23: Also viele Unternehmen

00:32:24: machen sich dazu sehr, sehr viel Gedanken.

00:32:27: Ich glaube, die Politik darf da gerne

00:32:29: auch mutiger werden.

00:32:30: Das liegt aber an uns Wählern, auch die richtigen

00:32:32: Politikerinnen und Politiker zu wählen.

00:32:35: Und da bin ich vorsichtig optimistisch,

00:32:37: wenn ich mir so anschaue,

00:32:39: wie gerade in Europa die Wahlen ausgehen.

00:32:40: Das bevorzugt ja schon Parteien,

00:32:43: die ein klares Klima-Bekenntnis haben.

00:32:45: Das ist gut.

00:32:47: Und in der Gesellschaft wird es schon

00:32:48: ein Umdenken brauchen.

00:32:49: Weil wir können so de facto

00:32:52: einfach nicht weiter tun.

00:32:54: Also wir werden schon Dinge anders machen müssen.

00:32:56: Das ist vielleicht den Bus benutzen

00:32:57: statt das Auto,

00:32:58: das ist regional einkaufen.

00:32:59: Das ist aber, glaube ich,

00:33:00: das grundsätzliche Mitdenken:

00:33:01: Dürfen wir eigentlich Ressourcen

00:33:03: in dem Maße nutzen, wie wir das heute tun?

00:33:05: Also auch Dinge kaufen, wegwerfen?

00:33:06: Das hat ja jeder von uns.

00:33:08: Ich denke mir immer, da packe das Zeug aus

00:33:10: und habe so einen Berg voll Plastik vor mir.

00:33:12: Das kann ja nicht das Thema sein.

00:33:15: Also wir müssen schnell verändern.

00:33:16: Ich glaube, wir werden es tun.

00:33:18: Aber wir müssen echt nachdrücken,

00:33:19: weil von selber passiert es nicht.

00:33:21: Ich glaube, es ist auch wichtig,

00:33:22: dass diese zehn Jahre ja in dem Sinne

00:33:24: keine Fall-Frist sind.

00:33:25: Das ist ja nicht so,

00:33:26: wenn wir in zehn Jahren das nicht geschafft haben,

00:33:28: im elften Jahr ist es zu spät.

00:33:30: So genau kann die Wissenschaft

00:33:31: die Aussagen nicht machen.

00:33:33: Nur wir werden vermutlich,

00:33:36: wenn wir so weiter tun, ja,

00:33:38: in den frühen dreißiger Jahren

00:33:40: die eineinhalb Grad überschritten haben - global.

00:33:43: Und wenn wir einmal drüber sind,

00:33:45: wieder herunterzukommen,

00:33:46: ist einfach viel schwerer.

00:33:47: Und natürlich gibt es auch die Befürchtung,

00:33:49: dass es dann überhaupt nicht mehr geht

00:33:52: zu stabilisieren,

00:33:53: sondern dass es dann systematisch

00:33:54: immer wärmer wird.

00:33:55: Aber es ist nicht so...

00:33:57: Da gibt es den schönen Vergleich mit:

00:33:58: Wenn man auf den Niagarafälle zufährt

00:34:00: mit dem Schiff, so Besucher-Schiffe,

00:34:06: dann gibt es Punkte, lange Strecken,

00:34:09: wo man umdrehen kann, noch zurückfahren kann.

00:34:11: Und dann gibt es irgendwo Punkte,

00:34:13: wo man es einfach nicht mehr geht,

00:34:14: wo man einfach drüber fällt.

00:34:16: Und dieser Spielraum dazwischen,

00:34:17: den kennt man nicht genau.

00:34:19: Deswegen ist es sinnvoll, dass man dort,

00:34:22: wo man sicher ist, dass man noch umdrehen kann,

00:34:23: dass man dort auch umdreht.

00:34:25: Und nicht ausprobiert: Geht es noch einen Meter?

00:34:27: Geht es noch einen Meter? Geht es noch einen Meter.

00:34:28: Weil irgendwann geht es dann nicht mehr.

00:34:30: Ich sage jetzt was ganz Böses,

00:34:31: weil ihr beide baut scheinbar

00:34:34: auf die Kraft der Vernunft der Menschen,

00:34:38: dass man weiß, dass es diesen

00:34:40: point of no return überhaupt gibt.

00:34:43: Lange Zeit gab es Menschen, die gesagt haben:

00:34:46: Den Klimawandel, den gibt es doch gar nicht.

00:34:49: Aber diese Menschen sind alle stumm geworden.

00:34:51: Dafür gibt es Menschen,

00:34:52: die auch ewig noch behauptet haben:

00:34:54: Corona gibt es gar nicht,

00:34:55: weil ich sehe es jetzt nicht.

00:34:57: Ich möchte jetzt nicht

00:34:58: über Impfpflicht und Ähnliches reden,

00:34:59: sondern einfach nur dieses Beharren auf Meinung,

00:35:03: die der Wissenschaft zuwider läuft,

00:35:05: weil es mein privates Leben so tangieren würde.

00:35:09: Corona existiert nicht, weil ich es nicht sehe.

00:35:12: Den point of no return,

00:35:13: der existiert auch in Klimafragen nicht,

00:35:15: weil: Es ist ja eh kalt.

00:35:18: Ich kann ja immer noch Skifahren.

00:35:20: Dieses Beharren auf blindsein, auf Meinungen.

00:35:24: Ist das etwas,

00:35:25: womit man verzweifelt als Wissenschafterin?

00:35:28: Ich möchte den Vergleich Corona und Klima

00:35:30: nicht zu weit treiben.

00:35:32: Die Klimawissenschaft

00:35:33: ist in einem völlig anderen Zustand

00:35:34: wie die Corona-Wissenschaft.

00:35:35: Ich glaube, da sollte man

00:35:36: im Vergleich vorsichtig sein.

00:35:38: Die Klimawissenschaft hat jetzt

00:35:40: seit vielen Jahrzehnten, wir reden ja darüber,

00:35:42: das Thema behandelt, hat miteinander diskutiert,

00:35:45: ist zu Ergebnissen gekommen,

00:35:48: die jetzt schon seit vielen Jahren

00:35:49: in der Wissenschaft weitgehend unumstritten sind.

00:35:54: Wenn Menschen das noch nicht wahrnehmen,

00:35:58: dann liegt es schon sehr stark daran,

00:36:00: dass sie das nicht wahrnehmen wollen.

00:36:01: Und das ist nicht unbedingt ein bewusster Akt.

00:36:03: Das ist eben durchaus...

00:36:05: Wir sehen das ja auch bei den Kernkraftwerken.

00:36:08: Die Menschen leben in der Nähe der Kernkraftwerke,

00:36:10: obwohl niemand garantieren kann,

00:36:13: dass es keinen schweren Unfall gibt.

00:36:15: Aber sie verdrängen das.

00:36:16: Wir sind unheimlich gut im Verdrängen.

00:36:18: Und wir haben ein unheimliches Repertoire

00:36:22: an Entschuldigungen.

00:36:23: Also warum wir gerade

00:36:24: oder warum ich gerade etwas nicht tue.

00:36:26: Nicht, weil der andere tut es auch nicht.

00:36:28: Oder es bringt nichts, wenn ich es allein tue.

00:36:30: Oder ich ich kann nicht, weil...

00:36:33: Also, wir haben ein ungeheures Repertoire darin.

00:36:36: Und ich glaube, da kommt es schon darauf an,

00:36:38: dass wir eben nicht nur darüber reden,

00:36:40: was darf man nicht tun,

00:36:42: sondern was darf man tun

00:36:44: und was ist schön, was man tun darf.

00:36:46: Und diese Vision, dass die Zukunft

00:36:49: eben eine schönere ist,

00:36:50: wenn wir Klimaschutz betreiben,

00:36:52: weil mit dem Klimaschutz

00:36:54: so viele andere Missstände auch wegfallen,

00:36:57: weil wir eben nicht mehr

00:36:58: so verschwenderisch sein werden.

00:37:00: Niko Paech nennt das Befreiung vom Überfluss.

00:37:03: Und ich finde das sehr schön,

00:37:04: diesen Befreiungsgedanken.

00:37:06: Und ich weiß nicht, wie es ihnen

00:37:09: oder den Hörern und Hörerinnen, Zuschauer:innen geht,

00:37:12: aber man kommt manchmal in Wohnungen,

00:37:14: die sind vollgestopft mit allem möglichen

00:37:16: und da fühlt man sich richtig bedrückt,

00:37:17: erdrückt von den Dingen.

00:37:20: Und dann gibt es Wohnungen,

00:37:21: da steht fast nichts drinnen.

00:37:23: Oder es geht auch fürs Büro.

00:37:25: Wenn man kurz übersiedelt ist,

00:37:27: ist plötzlich alles leer und frei.

00:37:30: Und es ist wirklich befreiend.

00:37:31: Und ich glaube, das muss einem einfach einmal

00:37:34: bewusst werden, dass wir jetzt jahrelang

00:37:37: gesammelt, gehortet haben und geglaubt haben:

00:37:40: Je mehr ich habe, desto besser geht es mir.

00:37:43: Und in Wirklichkeit geht es eigentlich darum,

00:37:45: eher ums Sein. Wie bin ich, wie kann ich leben?

00:37:49: Und das ist eigentlich das Wichtigere.

00:37:52: Und da gibt es durchaus auch

00:37:55: wissenschaftliche Studien dazu, die zeigen,

00:37:57: dass die Menschen viel eher geneigt sind,

00:37:59: einem positiven Bild nachzulaufen und auch dafür

00:38:03: Energie, persönliche Energie einzusetzen,

00:38:06: als vor einem schlechten wegzulaufen.

00:38:08: Das heißt, das Narrativ,

00:38:09: die Geschichte muss sich ändern.

00:38:11: Sozusagen, es ist real, dass wir,

00:38:14: so wie wir jetzt handeln,

00:38:16: einer Katastrophe entgegengehen.

00:38:19: Aber das muss nicht der Grund fürs Ändern sein.

00:38:21: Sondern ein Grund fürs Ändern sollte sein,

00:38:24: dass wir in einer viel gerechteren, faireren

00:38:28: und schöneren Welt leben könnten.

00:38:30: Und zwar schöner für jeden einzelnen von uns.

00:38:33: Nicht erst für die dritte Generation,

00:38:35: sondern schon jetzt.

00:38:36: Und das, glaube ich, kann motivieren.

00:38:38: Ulrich. Schaffen wir es,

00:38:39: dieses Narrativ so zu ändern,

00:38:41: dass es eine Befreiung von Überfluss ist,

00:38:44: die als positiv erlebt werden kann,

00:38:46: die uns rettet, die das Klima rettet,

00:38:48: die die 1,5 Grad schaffen lässt?

00:38:51: du stellst mir heute schwierige Fragen.

00:38:52: Es tut mir leid, aber das ist mein Job.

00:38:54: Ich kann das nicht beantworten.

00:38:56: Ich höre diesen Gedanken

00:38:58: und ich kann diesem Gedanken viel abgewinnen.

00:39:01: Was jedenfalls klar sein muss

00:39:03: und das war einer der Eingangssätze:

00:39:07: Wir haben begrenzte Ressourcen auf diesem Planeten

00:39:09: und wir sind viele Menschen,

00:39:11: die sich diese Ressourcen teilen müssen.

00:39:12: Und wir können nicht mehr Ressourcen nehmen,

00:39:14: als dieser Planet zur Verfügung stellt.

00:39:16: Und damit werden wir uns

00:39:17: in diese Systemgrenzen zurückbewegen müssen.

00:39:19: weil im Moment spielen wir

00:39:20: außerhalb der Systemgrenzen,

00:39:22: weil wir ja diese Ressourcen des Planeten

00:39:24: überbeanspruchen.

00:39:25: Wir verbrauchen ja viel mehr,

00:39:28: als wir eigentlich nachhaltig verbrauchen können.

00:39:31: Deswegen glaube ich,

00:39:33: am Ende hat die Menschheit immer Wege gefunden

00:39:37: sich weiterzuentwickeln

00:39:38: und gute Lebensbilder für sich zu entwickeln.

00:39:41: Deswegen wird es auch in diesem Fall gelingen.

00:39:43: Aber ich glaube,

00:39:44: dass das eine gewaltige Anstrengung braucht aller.

00:39:48: Und ich sehe das noch nicht überall.

00:39:51: Weil das Thema

00:39:53: und wir haben es vorher schon besprochen:

00:39:54: der Klimawandel ist ja nicht wirklich spürbar.

00:39:57: Jeden Tag spüren wir Menschen den nicht.

00:39:59: Du hast das beschrieben

00:40:00: mit der mittleren Temperatur,

00:40:01: die kann man nicht spüren.

00:40:02: Ja, wir spüren es dann,

00:40:04: wenn es Überschwemmungen gibt,

00:40:05: wenn es starke Wetterereignisse gibt.

00:40:07: Aber wir spüren sie ja nicht.

00:40:09: Also der Druck ist wahrscheinlich

00:40:10: noch immer nicht hoch genug.

00:40:12: Aber der steigt jeden Tag.

00:40:14: Und es braucht immer Menschen,

00:40:16: die vorwärts marschieren -

00:40:18: in der Politik, in der Wirtschaft,

00:40:19: in der Gesellschaft, in der Wissenschaft.

00:40:20: Und davon gibt es einige.

00:40:22: Und ich finde, da schließen sich

00:40:23: immer mehr Menschen an.

00:40:24: Deswegen glaube ich schon, ja,

00:40:26: wir werden diese positiven Lebensbilder

00:40:28: für uns erschließen.

00:40:30: Dann gebe ich der Helga jetzt

00:40:31: am Schluss dieses Gesprächs die Möglichkeit,

00:40:35: dieses positive Narrativ

00:40:36: durch einen ganz kleinen Tipp,

00:40:38: wir nennen Sie mal den Tipp am Freitag,

00:40:39: wo wir unser Publikum einladen,

00:40:41: durch eine kleine individuelle Handlung

00:40:43: in Summe doch einen Impact zu setzen,

00:40:45: der Folgen und Auswirkungen hat,

00:40:48: eben dieses Narrativ zum Positiven zu kehren.

00:40:51: Was wäre denn dein Tipp am Freitag

00:40:53: für unsere Zuhörer, Zuhörerinnen,

00:40:55: Zuseher, Zuseherinnen?

00:40:59: Erstens, dass es sinnvoll wäre,

00:41:02: sich die Zeit zu nehmen, zu überlegen:

00:41:03: Wie möchte ich eigentlich leben?

00:41:05: Wie möchte ich eigentlich, dass die Welt ausschaut?

00:41:07: Also viel mehr als nur "Wie möchte ich leben".

00:41:08: Und sich dafür wirklich Zeit zu nehmen.

00:41:11: Und dann in der Folge bei jeder Handlung,

00:41:15: die man setzt, überlegen:

00:41:17: Führt mich das dorthin oder nicht?

00:41:19: Oder bleibe ich weiter im Hamsterrad dessen,

00:41:22: was ich nicht will?

00:41:23: Führt mich das zu dem besseren Leben,

00:41:24: zu dem qualitätsvolleren Leben,

00:41:26: das ich mir wünsche?

00:41:27: Und hilft es den anderen,

00:41:29: dieses Leben zu erreichen?

00:41:31: Und ich glaube, wenn man sich das angewöhnt,

00:41:33: sich das wirklich bei jeder Handlung zu überlegen

00:41:37: und auch darüber zu reden, dass man das tut,

00:41:40: wie man entschieden hat, warum man entschieden hat.

00:41:42: Ich glaube, das ist das, was wir brauchen,

00:41:44: damit wir wirklich in die Breite kommen.

00:41:46: Die letzte Frage in Freitag in der Arena

00:41:48: geht aber immer an den Gastgeber.

00:41:51: Ulrich, was nimmst du

00:41:53: aus diesem Gespräch mit Helga heute mit?

00:41:57: Zwei Dinge.

00:41:58: Zum einen diesen unglaublichen Optimismus.

00:42:00: Du bist so lange

00:42:02: in dieser Klima- und Umweltforschung und warnst,

00:42:04: wie du eingangs gesagt hast,

00:42:06: immer vor den Folgen unseres Tuns

00:42:09: und bist dabei trotzdem optimistisch.

00:42:12: Obwohl man manchmal

00:42:13: nicht unbedingt den Anlass haben kann,

00:42:15: optimistisch zu sein. Du bist es trotzdem.

00:42:17: Und ich glaube, das ist richtig,

00:42:18: weil wir müssen optimistisch in die Zukunft gehen,

00:42:20: sonst werden wir es nicht ändern.

00:42:21: Und den zweiten Aspekt, den ich mitnehmen,

00:42:24: ist die umfassende Sichtweise

00:42:25: auf die Klima- und Umwelt-Thematik.

00:42:27: Und ich greife das auf.

00:42:29: Die Helga hat so einen Anstecker.

00:42:31: Das sind die Sustainable Development Goals der UNO.

00:42:35: Und da stehen solche Dinge drin.

00:42:36: Das erste Ziel ist keine Armut.

00:42:38: Das ist Gesundheit für alle.

00:42:42: Da sind saubere Meere. Eine gute Natur.

00:42:47: Da stehen ganz viele Ziele drin,

00:42:49: die ein umfassend nachhaltiges Leben ausmachen.

00:42:52: Das ist eben nicht nur Klima und Umwelt allein.

00:42:55: Aber Klima und Umwelt steht da ganz in der Mitte.

00:42:57: Weil, wenn Klima und Umwelt nicht intakt ist,

00:43:00: dann wird ganz viel von diesem Leben da außenrum,

00:43:02: also Gesundheit, Armut, all diese Dinge

00:43:04: werden wir nicht in den Griff kriegen.

00:43:05: Und die Helga hat es, glaube ich, gut gezeigt,

00:43:08: dass wir diese Themen

00:43:09: aus vielen Aspekten anschauen müssen

00:43:12: und ganzheitlich auf das Thema schauen.

00:43:14: Sie hat gesagt, Klima und Umweltpolitik

00:43:16: strahlt auch aus auf Gesellschaftspolitik,

00:43:19: auf Wirtschaftspolitik, auf Soziales.

00:43:22: Und diesen Gedanken nehme ich mit.

00:43:24: Weil letztlich, wenn wir

00:43:25: das Klima- und Umweltthema in Griff kriegen

00:43:27: und es so kommt, wie die Helga sagt,

00:43:29: dann werden wir tatsächlich das Leben,

00:43:31: unser Leben besser machen

00:43:33: und das Leben der nächsten Generationen

00:43:34: besser machen.

00:43:35: Und das ist doch ein Gedanke,

00:43:36: mit dem kann man, glaube ich,

00:43:37: gut aus so einem Gespräch herausgehen.

00:43:38: Danke Helga.

00:43:39: Dann bedanke ich mich bei euch beiden,

00:43:41: dass ihr hier den Weg in die Arena gefunden habt,

00:43:45: zu Freitag in der Arena.

00:43:47: Ich bedanke mich bei euch,

00:43:49: dass ihr wieder dabei wart und freue mich,

00:43:51: wenn ihr es wieder tut.

00:43:52: Wieder mit dabei sein, wieder mitdenken

00:43:55: und wieder etwas dafür tun,

00:43:57: dass dieser Planet so lebenswert bleibt,

00:43:59: wie wir es uns alle wünschen.

00:44:00: Danke. Ciao und baba.

Über diesen Podcast

Freitag in der Arena ist jetzt "Geladen". Mit Geladen starten wir in eine neue Podcast-Ära: kürzer, knackiger und vielleicht auch mal kontroversiell. Schau vorbei unter "Geladen: Hier kommt die Zukunft zu Wort" -> überall, wo es Podcasts gibt!

von und mit oekostrom AG

Abonnieren

Follow us